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Nordkorea

Die Schulpflicht in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2023-03-01

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ YONHAP News

In Südkorea beginnt im März das neue Schuljahr. Wegen der Corona-Pandemie hielten die meisten Schulen in den vergangenen Jahren keine größeren Begrüßungszeremonien ab. Doch in diesem Jahr soll sich das wieder ändern. In Nordkorea startet das neue Schuljahr im April. Auch in Nordkorea gab es wegen der Pandemie zunächst keine normalen Aufnahmefeierlichkeiten mehr. Doch schon im vergangenen Jahr soll es wieder solche Veranstaltungen gegeben haben. Die nordkoreanischen Medien berichteten über Schüler, die vor den Kim-Il-sung-Statuen Blumen hingelegt hätten und von ihren Familien zum Schulauftakt beglückwünscht worden seien. Dabei wurde auch eine ältere Dame interviewt, deren Enkel an der Begrüßungszeremonie teilgenommen hatte: 


Mir liefen die Tränen. Mein Enkel erhielt alles, von der Schuliniform bis zur Schultasche und anderen Dinge. Ich denke, nirgendwo sonst gibt es solch ein System. Ich schätze das wirklich sehr. 


Wie unterscheidet sich das Bildungssysstem des Landes von demjenigen Südkoreas? Zum Thema sagt die Leiterin des Büros für Öffentlichkeitsarbeit bei der Korea Hana Foundation in Südkorea, Kim Young-hee:


Offiziell brauchen die Nordkoreaner keine Schulgebühren zu entrichten. Das ist der Grund, warum Nordkorea oft über Gebühren in anderen Ländern einschließlich Südkoreas spricht. Es behauptet, dass es in kapitalistischen Ländern schwierig ist, eine Weiterbildung zu bekommen. Bis Anfang der 1990er Jahre kostete es nichts, Schüler zu unterrichten. Doch als das Land Mitte der 90er Jahre von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen war, übertrugen die Schulen eine schwere Finanzlast auf die Eltern, obwohl es noch immer keine Schulgebühren gab. Viele Eltern beklagten sich, dass die Bildung trotz Schulpflicht nicht umsonst war. 


In Nordkorea galten Schulfpflicht und freier Unterricht als Propagandawerkzeuge, um die Menschen von der Überlegenheit des Regimes zu überzeugen. Seit der Wirtschaftskrise in den 90er Jahren jedoch mussten die Eltern nicht nur für die Schulbücher, sonstige Schulsachen sowie die Schulinformen zahlen, sondern auch für Unterrichtsmaterialien: 


Arme Familien konnten es sich nicht leisten, dass ihre Kinder eine Schule besuchten. Einige nordkoreanische Flüchtlinge kennen das koreanische Alphabet Hangeul nicht. Nach der Befreiung Koreas von japanischer Kolonialherrschaft brachte Nordkorea eine Alphabetisierungskampagne auf den Weg, damit jeder Bürger lesen und schreiben konnte. Doch im 21. Jahrhundert gibt es in dem Land noch immer zahlreiche Analphabeten. 


Nordkorea führte 1956 eine vierjährige Schulpflicht ein. Zwei Jahre später wurde sie um drei Jahre verlängert, und sie umfasste eine vierjährige Grundschul- und eine dreijährige Mittelschulbildung. 1967 wurde letztere auf fünf Jahre ausgedehnt. Im Jahr 1972 war es so, dass nordkoreanische Schüler eine elfjährige Schulbildung einschließlich eines Kindergartenjahres durchlaufen mussten. Nach der Machtübergabe an Kim Jong-un verabschiedete Nordkorea 2012 ein Gesetz für eine “universelle zwölfjährige Schulpflicht”. Das Gesetz wurde stufenweise umgesetzt. Unter dem neuen System wurde der Grundschulbildung ein sogenanntes akademisches Jahr hinzugefügt. Die Weiterbildung bestand aus drei Jahren in einer Mittelschule und drei Jahren in einer höheren Sekundarschule. Es war die erste Schulreform dieser Art in 40 Jahren. Das Schulsystem bestand nun praktisch aus Kindergarten, Grund-, Mittel- und Oberschule:   


Zahlreiche Länder, darunter China, haben ein Zwölf-Jahres-Schulsystem. Nordkorea setzte die neue zwölfjährige Schulpflicht in der offensichtlichen Absicht um, sich internationalen Standards anzupassen. Auch scheint es, als ob es das Bildungsniveau verbessern wollte, insoweit die Schulzeit verlängert wird. Durch die Aufteilung der Sekundarschule in niedrige Sekundar- und höhere Sekundarschule wie in China, scheint Nordkorea auch talentierte Schüler auf den höheren Schulen besser fördern zu wollen. 


Nordkorea sagt, dass das neue Bildungssystem verschiedene Vorteile mit sich bringe. So sei jede Schule mit neuen Schulbüchern sowie aktuellsten Ausrüstungen für den Unterricht, darunter etwa Projektoren und TV-Geräte, versorgt worden. Für das nordkoreanische Bildungssystem ist es zudem wichtig, Fächer für die ideologische Erziehung einzubeziehen:


Ich erinnere mich noch genau, wann Kim Il-sung geboren wurde, wann er sich der Jugendbewegung und den anti-japanischen Aktivitäten anschloss, und was er nach dem Korea-Krieg tat, um ein sozialistisches Land aufzubauen. In ähnlicher Weise lernen die Nordkoreaner, dass Kim Il-sungs Sohn Kim Jong-il in einem geheimen Militärlager auf dem Paektu-Berg geboren wurde, wie er an der Universität studiert und welche Aufgaben er in der Partei übernahm. Sie lernen auch die revolutionäre Geschichte von Kim Jong-suk, der ersten Frau Kim Il-sungs und Mutter Kim Jong-ils. Sie wurde in Hoeryong in der Provinz Nord-Hamgyong geboren und wurde eine anti-japanische Widerstandsheldin. Alle Informationen über die Familie des obersten Machthabers stecken in den Nordkoreanern. 


Nach dem Beginn der zwölfjährigen Schulpflicht fügte Nordkorea ein Fach über den jetzigen Machthaber Kim Jong-un hinzu. Die Einführung des neuen Fachs “Revolutionäre Aktivitäten des Geliebten Führers Kim Jong-un” verstärkte den Personenkult um die Familie des Machthabers durch das Schulprogramm. Auch wurde die Erziehung in Wissenschaft und Technologie verstärkt: 


Um eine Weiterbildung in der Informationstechnologie auf moderne Weise zu gewährleisten, sind Schulen mit den entsprechenden Einrichtungen ausgerüstet, so dass sie verschiedene Arten von Klassen wie etwa Fernunterricht und E-Learning anbieten können. 


Mathematik und Naturwissenschaften machen einen bedeutenden Teil der niedrigen und höheren Sekundarschule aus, die den Mittel- und Oberschulen in Südkorea entsprechen: 


Ich besuchte in den 1970er Jahren die Oberschule in Nordkorea. Damals wählten die Schulen Schüler aus, die gut in Mathe waren, und sie gaben ihnen eine spezielle Weiterbildung in einer getrennten Gruppe. Ich war gut in Mathe, und ich war in solch einer Gruppe. Jetzt scheint es so, als ob nordkoreanische Schulen zahlreiche Mathe-Klassen betreiben. Niedrige Sekundarschulen haben drei Jahre lang 578 Stunden für den Mathematikunterricht reserviert, während es 368 Stunden in den höheren Sekundarschulen sind. In der Kim-Jong-un-Ära schickte Nordkorea zahlreiche Schüler zur Mathematik-Weltmeisterschaft. Nordkoreanische Schüler schneiden im Mathe-Wettbewerb sehr gut ab und gewinnen Gold-, Silber- und Bronzemedaillen. Es scheint, dass Nordkorea viel Wert auf die mathematische Bildung legt, weil Mathematik die Grundlage für die IT-Weiterbildung ist. 


In einem weiteren Trend stärkt Nordkorea die Förderung für begabte Kinder. Die Begabtenbildung begann schon 1959, als Nordkorea ein Gesetz für die Reformierung des Erziehungssystems auf den Weg brachte. Damals drehte sich die Begabtenbildung vor allem um Talente in den Kunst- und Kulturfächern oder im Sport. Die Kinder wurden für die Propaganda benutzt, um die Ein-Personen-Herrschaft Kim Il-sungs zu etablieren. Eine breiter aufgestellte Begabtenbildung begann in den 1980er Jahren. Kim Jong-il verstärkte dabei die Bildung in den Naturwissenschaften und erweiterte die Begabtenbildung über die Kulturfächer hinaus. In den 90er Jahren wurde der IT-Bereich mit einbezogen. Auch der jetzige Machthaber Kim Jong-un betonte, wie wichtig es sei, die Wissenschaft und Technologie zu entwickeln und begabte Personen besser auszubilden. Beim siebten Kongress der herrschenden Arbeiterpartei wies der Machthaber die Funktionäre an, talentierte Personen auszubilden, um sie auf Weltniveau zu bringen:


Nordkorea ist seit langem an der Weiterbildung von Talenten interessiert. Schon im Kindergarten spüren Lehrer Kinder auf, die in Musik oder Sport talentiert sind, und sie sorgen dafür, dass sie früh die entsprechende Erziehung genießen. Nordkorea strahlt oftmals Fernsehprogramme über begabte Schüler aus. Unter Kim Jong-un erhalten kluge Kinder eine Spezialbildung in Betreuungszentren oder Kindergärten, um später als IT-Experte ausgebildet zu werden. Es gab schon früher Musik- und Sporttalente, während Mathe- oder IT-Talente vor allem jetzt hervorstechen. 


Im Einklang mit dem neuen Bildungstrend hat auch der Privatunterricht im sozialistischen Nordkorea ähnlich wie in Südkorea einen wahren Boom erlebt. Ein nordkoreanischer Flüchtling, der in seiner alten Heimat als Schullehrer und als Privatlehrer tätig war, sagt, dass viele Lehrer in dem Land auch privat arbeiteten: 


Ich verdiente als Privatlehrer viel mehr Geld als ein Schullehrer. Das monatliche Einkommen eines Lehrers betrug 5000 nordkoreanische Won, doch ein Privatlehrer konnte 220.000 Won machen, wenn er einen Schüler privat unterrichtet hat. Das heißt, ich hätte eine Million Won verdinen können, wenn ich fünf Schüler gehabt hätte. 


Nordkorea hat Schulen für begabte Schüler in Naturwisschenschaften, Fremdsprachen und Kunst eingerichtet. Das Ergebnis war, dass sich der Privatunterricht für Schüler immer mehr ausbreitete, die hoffen, bestimmte Schulen und Hochschulen besuchen zu können: 


Der Boom beim Privatunterricht bewirkt, dass die Bedeutung für die öffentliche Bildung schwindet. Meine Mutter sagte mir nie, dass ich studieren sollte. Vom Kindergarten bis zur Oberschule kümmerten sich meine Lehrer um alles, was meine Weiterbildung betraf. Ich hatte den selben Klassenlehrer während der gesamen vierjährigen Grundschulzeit. Genauso war ein Klassenlehrer für meine drei Jahre an der niedrigen Sekundarschule zuständig. Das Gleiche galt für die Zeit an der höheren Sekundarschule. Es lässt sich leicht vorstellen, dass die Klassenlehrer ihre Schüler sehr gut kannten. Sie halfen den Schülern unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und Neigungen, um die höheren Schulen zu erreichen. Die Situation hat sich geändert. Die Schüler müssen bessere Noten als ihre Klassenkameraden erzielen, um bessere Hochschulen besuchen zu können, während viele Schullehrer heimlich als Privatlehrer arbeiten, um Geld zu machen. Die steigende Nachfrage und das Angebot für den Privatunterricht heizen den Boom der privaten Bildung an. 


Die Staatsmedien berichten, dass sich durch die Einführung der zwölfjährigen Vorschul- und Schulpflicht die Lernfähigkeiten der Schüler verbessert hätten. Die nordkoreanische Regierung will die Entwicklung des Landes durch die Bildung menschlicher Ressourcen vorantreiben. Um das zu schaffen, müssten zugleich das Bildungsumfeld wie auch die Unterrichtsinhalte erneuert werden.

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