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Nordkorea

Die Erzählung Heungbu in Süd- und Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2023-01-04

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒGetty Images BankDie Musik zum bekannten koreanischen Lied “Heungbu und Nolbu” wurde von Na Woon-young komponiert, der Text stammt aus der Hand des Kinderbuchautors Kang So-cheon. Die Grundlage für das Stück bildet eine alte koreanische Erzählung über zwei Brüder. Es geht darin um den warmherzigen Heungbu, der sich um eine verletzte Schwalbe kümmert und wohlhabend wird. Sein Bruder Nolbu, der habgierig ist, bricht einer Schwalbe ein Bein. Am Ende verliert er sein Vermögen. Die simple Moral der Gechichte: Gute Taten bringen Glück. “Die Geschichte von Heungbu” wird in Süd- und Nordkorea unterschiedlich interpretiert. Anfangs wurde sie mündlich überliefert, bevor sie von Pansori-Sängern vorgetragen und auch niedergeschrieben wurde. Pansori ist eine Art epischer Gesang, der in Korea eine lange Tradtition hat. Die Erzählung verbreitete sich unter den Menschen in handgeschriebener Form und später auch in Buchform. Zu den wichtigsten Editionen gehört eine, die in Seoul veröffentlicht wurde und auch als Gyeongpan-Edition bekannt ist. Es wurden immer wieder neue Details hinzugefügt oder ältere Details weggelassen. Zum Thema sagt Lee Ji-soon vom Koreanischen Institut für Nationale Vereinigung: 


Es gibt in Südkorea verschiedene Interpretationen der klassischen Erzählung. So erscheint Nolbu beispielsweise als Hauptfigur in einer Parodie. Das gibt es in Nordkorea nicht. Im Prozess der Rehabilitierung der traditionellen Kultur in den 1950er Jahren interpretierte Nordkorea alte Traditionen und klassische Erzählungen auf eine Weise, dass sie zum sozialistischen System passen und die Ideologie des Landes reflektieren. Nordkorea startete in den 80er Jahren ein großes Projekt der Erforschung traditioneller Kulturinhalte. Seit 1983 bis heute hat es eine Sammlung der klassischen koreanischen Literatur zusammengestellt. Das massive Publikationsprojekt wurde vom Staat gelenkt. Die Geschichte von Heungbu erschien 2005 als Band 43. Sie ist wie auch in Südkorea sehr populär in Nordkorea. Sie wurde als Quelle für eine Kindergeschichte, einen Trickfilm, eine Puppenshow, eine Oper, ein Tanzdrama und anderes verwendet. 


Dutzende Ausgaben mögen sich in Teilen unterscheiden, doch die meisten von ihnen beginnen mit der Einführung der beiden Brüder. Nolbu, der ältere Bruder, wird als gehässig beschrieben. Heungbu dagegen kommt gut mit den Nachbarn aus und hilft Menschen in Not. Nolbu wirft seinen jüngeren Bruder aus dem Haus und beansprucht das gesamte Erbe für sich. Der Rap-Song “Heungbo ist schockiert” etwa wurde durch diese Szene inspiriert. Das Stück wurde mit der neuen Wortschöpfung des “Pan-Rap” beschrieben, eine Kombination aus “Pansori” und “Rap”. Heungbu findet sich im kalten Winterwetter auf der Straße wieder. Er baut für sich und seine eigene Familie eine Hütte: 


Das unvorstellbar arme Leben von Heungbu wird in der Ggyeongpan-Edition wie auch in der nordkoreanischen Version beschrieben. Heungbus Familie kann sich drei Tage lang kaum eine Mahlzeit leisten. Familienmitglieder zählen Nahrungsmittel auf, nach denen sie sich sehnen. In Gyeongpan sind das unter anderem Nudeln in einem heißen königlichen Topf, gegrilltes Fleisch, das traditionell von Adligen genossen wird, weißer Reis mit Hundefleischsuppe und süßer Klebereis sowie Jujube-Kuchen. Doch die küngliche Küche wird nicht in der nordkoreanischen Version genannt. Sie enthält nur Nahrungsmittel, die von den gewöhnlichen Menschen verspeist werden. Heungbus Kinder wünschen sich demnach unter anderem Kürbissuppe, Nudeln und Reis. 


Als eine der interessantesten Episoden ist die, in der Heungbu von Nolbus Frau mit einem Reislöffel ins Gesicht geschlagen wird. Eines Tages besucht Heungbu seinen Bruder, um ihn um Essen für seine Familie zu bitten, doch wird er abgewiesen. Er trifft dann Nolbus Frau in der Küche: 


Als Nolbus Frau Heungbu sieht, schreit sie: “Nein! Ein Mann in der Küche!”, und schlägt ihn auf die Backe mit einem Reislöffel. Diese Szene befindet sich in den Editionen aus Süd- und Nordkorea. Doch von da an entwickelt sich die Geschichte unterschiedlich. In der nordkoreanischen Version sagt Heungbu, dass sie ihn noch einmal schlagen soll. Doch gibt es keine Erklärung dafür. Heungbu unterdrückt seine Tränen und kehrt nach Hause zurück. Die südkoreanische Version dagegen erläutert den Grund auf amüsante Weise. Nach dem schweren Schlag auf seine Wange sieht Heungbu Sterne, und ihm ist schwindlig. Er kratzt den klebrigen Reis auf und isst ihn. Er dankt der Frau und bittet sie, ihn auf die andere Wange zu schlagen, sodass er mehr Reis bekommt und ihn mit nach Hause für seine Kinder nehmen kann. Nolbus Frau schlägt ihn diesmal mit einem Feuerhaken. Heungbu heult und geht nach Hause, ohne seine Schmerzen weiter zu beklagen. Heungbu wird als humurvoller, aber hilfloser Mann porträtiert. Doch in der nordkoreanischen Version spürt Heungbu einen Groll gegen die Welt. 


Heungbu macht alles, um seine Kinder ernähren zu können. Er hilft anderen bei der Feldarbeit, beim Ändern ihrer Strohdächer oder reinigt Gärten. Auch seine Frau verrichtet alle möglichen Jobs, darunter Reis stampfen oder Geschirr im Haus anderer Leute waschen. Doch die Lage verschlechtert sich, und Heungbu will sich sogar für jemand anderen auspeitschen lassen, um dafür Geld zu bekommen. Doch selbst dazu kommt es nicht, weil der Staat alle Gesetzesbrecher anlässlich einer besonderen Begebenheit freilässt: 


In der südkoreanischen Version beklagen Heungbu und seine Frau ihr Elend. In der nordkoreanischen Version tröstet die Frau ihren Gatten und drängt ihn, hart zu arbeiten, bis bessere Tage kommen. Nordkorea zeigte die Aufführung einer traditionellen Oper mit dem Titel Changgeuk im August 1953, direkt nach dem Korea-Krieg. Changgeuk erfuhr in Nordkorea viele Veränderungen, um ideologische Elemente aufzunehmen. Nordkorea veröffentliche 1955 das Changgeuk-Textbuch von Park Tae-won, der nach Nordkorea geflüchtet war. Park versuchte, die Geschiche von Heungbu in einer neuen Form des Changgeuk zu erzählen, die den sozialistischen Realismus widerspiegelt. So wurde insbesondere das schwierige Leben von Heungbus Familie in allen Details beschrieben. Das Werk versuchte, Korruption und Unregelmäßigkeiten während der Joseon-Ära zu enthüllen, um Personen zu zeigen, die von solchen ausgebeutet werden, die Geld und Macht haben. Heungbu schafft es nicht, sich Reis vom Stadtbüro zu besorgen, obwohl er zu den Ärmsten gehört. Ein Beamter schlägt ihm vor, Peitschenhiebe für einen Verbrecher auf sich zu nehmen und dafür Geld zu bekommen. Das soll die grausame Realität zeigen, in der wohlhabende Menschen einer Strafe entgehen, solange sie Geld haben, und arme Menschen darum kämpfen, der Armut zu entkommen.  


Heungbu erhält schließlich die Chance, sein Leben zu ändern. Im Frühling baut eine Schwalbe ein Nest an Heungbus Hütte. Eines Tages sieht er, wie sich eine Schlange dem Nest nähert, um die Jungvögel zu verschlingen. Er verjagt die Schlange, doch einer der Vögel stürzt auf die Erde und bricht sich ein Bein. Heungbu und seine Frau kümmern sich um den Vogel, der im Herbst Richtung Süden fliegen kann. Im nächsten Frühling kehrt die Schwalbe zurück und lässt ein Samenkorn auf Heungbus Hof fallen. Er pflanzt das Samenkorn ein und ihm entspringen riesige Kürbisse, die er öffnet. Wie durch ein Wunder sind die Kürbisse mit Gold und Juwelen gefüllt: 


In der nordkoreanischen Edition will Heungbus Frau Reis kochen und neue Kleider herstellen, nachdem sie Schätze, Haushaltsgeräte und Stoffe in den Kürbissen findet. Doch Heungbu überzeugt sie davon, nicht so habgierig zu werden wie die Frau seines Bruders. Während Heungbu fröhlich tanzt, wenn er die Schätze sieht, verhält er sich in der nordkoreanischen Edition vorsichtig angesichts des unverhofften Glücks. Er macht Pläne, die Schätze mit anderen Menschen zu teilen. 


Heungbu, der nun wohlhabend ist, wird in Süd- und Nordkorea verschieden beschrieben: 


Reis, Geld und Seide, die sich in den Kürbissen finden, sind Dinge, die Heungbu haben wollte. Heungbu repräsentiert hier die Nordkoreaner, die davon träumen, weißen Reis und Fleischsuppe zu essen, in einem lxuriösen Haus zu wohnen und schöne Kleider zu tragen. Doch Heungbu ist bereit, alles mit den Nachbarn zu teilen. Das symbolisiert in sozialististischem Stil die Verteilung von Reichtum. Anders als Nolbu steht Heungbu für eine ideale sozialistische Gesellschaft. 


Das Gerücht, wonach Heungbu reich wurde, erreicht schließlich Nolbu. Er bricht mit Absicht das Bein einer Schwalbe und stellt es wieder her. Die Schwalbe kehrt im darauffolgenden Jahr mit einem Kürbis-Samenkorn zurück. Noblu öffnet schließlich die Kürbissköpfe. Doch diese lassen alle möglichen Elemente der Zerstörung entkommen, wie etwa Dämonen und Kobolde. Nolbu verliert sein Vermögen. In der südkoreanischen Version wird er von seinem Bruder getröstet, und Nolbu bedauert sein Fehlverhalten. Die Brüder versöhnen sich und leben glücklich bis ans Ende ihres Lebens: 


Die nordkoreanische Edition beschreibt nur kurz, wie Heungbu Reis und Geld an Nolbu schickt und ein neues Haus für seinen Bruder baut. Doch wird an keiner Stelle gesagt, dass Nolbu seine Haltung ändert. Beide Brüder leben am Ende nicht in Harmonie zusammen. Die nordkoreanische Version ist vor dem Hintergrund des 18. Jahrhunderts in der Joseon-Ära eine satirische Novelle über Heungbu, einen armen, aber fleißigen und ehrlichen Bauern, und den habgierigen und geizigen Nolbu, der zur Klasse der Grundstücksbesitzer gehört. Sie repräsentieren den Ausgebeuteten und den Ausbeuter. Die Version legt den Fokus auf den Klassenkonflikt. Heungbu teilt nur mit denen, die seiner Klasse zugehören und nie mit den Angehörigen der Klasse der Grundstücksbesitzer. 


Am Ende teilen beide Versionen trotz aller Unterschiede das gemeinsame Motiv, dass gute Taten belohnt und bösartiges Verhalten bestraft werden.

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