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Nordkorea

Speed Battles in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2022-08-17

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ YONHAP News

Das nordkoreanische Lied “Ein Mädchen auf dem Ross” wurde 2018 im Rahmen der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang von Hyon Song-wol gesungen. Hyon leitete damals eine Künstlergruppe aus Nordkorea, die Südkorea besuchte. In Nordkorea wird die Wendung “Ein Mädchen auf dem Ross” auch für eine hart arbeitende Frau verwendet. Der Ausdruck dient zugleich als Slogan, um Arbeiterinnen in dem Land zu mobilisieren. Das Staatsfernsehen pries Arbeiterinnen in einer Fabrik als “Mädchen auf dem Ross”, die ihre Produktionsziele übertreffen und an mehreren Maschinen arbeiten würden. Nordkorea benutzt den Slogan für seine sogenannten “Speed Battles” oder Tempo-Kampagnen. Damit sind Massen-Mobilisierungsaktionen gemeint, die ein besonderes Merkmal für das sozialistische Land sind. Ziel solcher Aktionen ist es, die besten Ergebnisse in möglichst kürzester Zeit zu erzielen. Dazu sagt Jeong Eun Mee vom Korea-Institut für Nationale Vereinigung in Südkorea: 


Ein Speed Battle ist eine wirtschaftliche Kampagne, die darauf abzielt, Arbeit, Technologie und Ressourcen zu mobilisieren, um bei wichtigen Projekten schnell Resultate zu erzielen. 


Es scheint, als ob Nordkorea diese Tempo-Kampagnen in den vergangenen Jahren verstärkt hat: 


Nordkoreas Tempo-Kampagnen haben einen politischen Hintergrund. Das Land hielt im Januar des vergangenen Jahres den achten Kongress der Arbeiterpartei ab. Vor diesem wichtigen Ereignis führte Nordkorea 2020 einen 200 Tage langen Speed Battle durch. Der Zweck war, beim Parteikongress einige nützliche Ergebnisse zu präsentieren. Nordkorea organisierte unter der Regierung von Kim Jong-un oftmals wichtige und große Veranstaltungen. Wann immer solch ein Ereignis stattfand, musste Nordkorea nach innen wie nach außen demonstrieren, dass Kims Führung nicht geschwächt ist. Das ist der Grund, warum das Land vor solchen Veranstaltungen immer wieder Speed Battles durchführte. 


Nordkorea sagt, dass es das Land in den 1950er Jahren geschafft habe, eine ernste Wohnungsknappheit durch seine Tempo-Kampagnen überwunden zu haben. Nach dem Ende des Korea-Kriegs, als  Pjöngjang in Schutt und Asche gelegt wurde, wurde der neue Propaganda-Slogan “Pjöngjang-Tempo” gebraucht, um die Hauptstadt rasch wiederaufzubauen. Ende der 50er Jahre führte Nordkorea die Chollima-Bewegung ein. Chollima ist bei Koreanern als ein myhtisches Pferd bekannt, das extrem schnell ist. Es wird angenommen, dass Tempo-Kampagnen wie diese dazu beitrugen, das Wachstum der Industrie und der Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln:


Der größte Teil der Infrastruktur und der Fabriken wurde im Krieg zerstört. Im Rahmen des Wiederaufbaus erwiesen sich Tempo-Kampagnen wie die Chollima-Bewegung als sehr effizient. Der nordkoreanische Machthaber und die Menschen erlebten zusammen den Krieg, und die Bürger wie auch die Mitglieder politischer und wirtschaftlicher Kreise waren bestrebt, ihr Land wiederaufzubauen und große Veränderungen in ihren Leben zu bewerkstelligen. Sie beklagten sich deshalb nicht über die schwierigen Speed Battles. Ich denke, dass sie eher positive Erinnerungen mit den Arbeitskampagnen verbinden. 


Ein anderer Slogan für solche Kampagnen war “Heechon-Tempo”, der im Rahmen des Baus des Heechon-Kraftwerks geschaffen wurde. Nordkorea begann mit dem Bau 2001, doch die Arbeiten wurden aufgrund wirtschaftlicher Probleme ausgesetzt. Sie wurden im März 2009 wiederaufgenommen, als der damalige Machthaber Kim Jong-il die Baustelle besuchte. Kim wies die Beamten an, den Bau bis 2012 fertigzustellen. Das war auch das Jahr, um das erklärte Ziel eines starken und florierenden Landes zu erreichen. Es dauert in der Regel etwa zehn Jahre, um eine Stauanlage und ein Kraftwerk zu bauen. Doch nach der Anweisung des obersten Machthabers, das Projekt in nur drei Jahren abzuschließen, konzentrierte Nordkorea fast alle Ressourcen auf den Kraftwerksbau. In diesem Prozess entstanden die Ausdrücke “Heechon-Tempo” und “Heechon-Zeit”. Selbst ein neues Lied wurde komponiert, um die Bauarbeiten zu beschleunigen. Die Staatsmedien berichteten fast jeden Tag über den Fortschritt der Bauarbeiten. Die Zielvorgabe wurde schließlich erfüllt: 


Nordkorea sagt oft, “Reis ist Sozialismus” und “Elektrizität ist Sozialismus”. Das soll bedeuten, dass Elektrizität zusammen mit der Reisproduktion die Schlüsselindustrien des Landes sind. In Wirklichkeit war es jedoch für Nordkorea aufgrund der chronischen Energieknappheit schwierig, seine Wirtschaft zu entwickeln. Nordkorea brauchte mehr Kraftwerke. Darum baute es das Heechon-Kraftwerk, das große Stommengen produzieren konnte, und es führte eine Tempo-Kamapagne durch, um junge Menschen und Soldaten dafür zu mobilisieren. Die Wendung “Heechon-Tempo” deutet an, dass das Land ein wirtschaftliches Ziel trotz wirtschaftlicher Probleme in einer kurzen Zeit erreichen kann. 


Der jetzige Machthaber Kim Jong-un setzt ebenfalls auf solche Speed Battles. In seiner Neujahrsansprache von 2013 beschwor er den Geist des “alles in einem Zug”. Die Wendung “in einem Zug” wurde seither auch als Motto für die Speed Battles benutzt, während ein neu arrangiertes Lied mit dem gleichen Namen von der Moranbong-Band im ganzen Land verbreitet wurde. Von 2015 an, als Nordkorea den 70. Jahrestag der Gründung der Arbeiterpartei feierte, wurden die Tempo-Kampagnen mit großem Schwung durchgeführt. Die Aktionen wurden nach dem siebten Parteikongress im Jahr 2016 landesweit ausgeweitet. Die Speed Battles umfassten große Bauprojekte, wie etwa die Straße für künftige Wissenschaftler in Pjöngjang und die Jugend-Kraftwerke des Helds vom Berg Paektu. Ein Dokumentarfilm von damals zeigt, wie eifrig die Regierung war, diese Bauprojekte durch die Speed Battles voranzubringen. In dem Film tragen Soldaten in Uniform schwere Steine und bauen eine Mauer ohne Sicherheitsausrüstung. Er zeigt auch eine gefährliche Situation, in der eine Person einen großen Nagel, der von jemand anderem gehalten wird, mit einem Hammer einschlägt. Beim siebten Parteikongress von 2016 wurde die Wendung “Mallima-Tempo” geprägt. Als Ableitung von Chollima bezieht sich Mallima auf ein noch schnelleres Pferd, nämlich zehnmal so schnell wie das originale Chollima. Die Mallima-Bewegung sollte wirtschaftliche Resultate in genau diesem Tempo hervorbringen. Kim Jong-un proklamierte den Beginn der Mallima-Ära. Seitdem wurde Mallima-Tempo zum prägenden Slogan für die Mobilisierungskampagnen unter Kim Jong-un. Nordkorea veröffentlichte sogar ein neues Gedicht und ein neues Lied, die dem Slogan gewidmet sind. Die Symbole der Mallima-Bewegung umfassen auch die Ryomyong-Straße in Pjöngjang. Der alte Slogan des “Pjöngjang-Tempos”, der 70 Jahre früher eingeführt wurde, erschien im vergangenen Jahr noch einmal an der Baustelle für 10.000 neue Wohnungen in der Hauptstadt. Nodkorea entsendet eine Organisation, die “Angriffstruppen” genannt wird, für die Speed Battles in Industrieanlagen und Baustellen. Der frühere Machthaber Kim Jong-il organisierte 1975 eine ähnliche Einheit, die damals unter dem Namen “Speed Battle-Angriffstruppen der Jugend” bekannt waren. Personen, die keine Hochschule besuchten oder keinen Militärdienst ableisteten, wurden diesen Truppen zugeteilt. Es wird gesagt, dass einige Mitglieder, die sich durch ihre Arbeit besonders ausgezeichnet haben, die Gelegenheit erhielten, in die Arbeiterpartei einzutreten. “Speed Battle-Angriffstruppen der Jugend” sind dafür bekannt, auf einer Reihe von Baustellen, die Mansudae-Straße in Pjöngjang und die Wonsan-Kalma-Küsten-Tourismuszone eingeschlossen, eingesetzt wurden:


Es wäre ideal, wenn die Angriffstruppen aus ausgebildeten Arbeitern bestehen würden. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. In der Gruppe befinden sich keine Arbeiter mit besonderen technischen Fähigkeiten. Vielmehr werden diejenigen mit schlechtem Familienhintergrund und solche mit einer niedrigen Position in der Gesellschaft mobilisiert, oder sie schließen sich freiwillig der Gruppe an. Aus diesem Grund können die Speed Battles keine maximale Wirkung erzielen. 


Während Nordkorea die “Angriffstruppen” als sozialistische Helden lobt, ist es von außen dem Vorwurf der Ausbeutung ausgesetzt:


Speed Battles enden nicht in wenigen Tagen. Die Beteiligten müssen lange arbeiten, bis das Projekt fertig ist. Während der Kampagnen-Dauer müssen sie ihre eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten aussetzen. Brotverdiener besonders können nicht mehr ihre Familien unterstützen. Es wird deutlich, dass der Staat die Arbeitskräfte ausbeutet. Das Land kann nicht ewig solche Kräfte mobilisieren. In diesen Tagen scheint Nordkorea die Menschen zu ermutigen, sich den Kampagnen anzuschließen, indem es ihnen praktischen Ausgleich wie etwa Rationen und Lohneinnahmen verschafft. 


Die nordkoreanische Regierung ruft eine Tempo-Kampagne ins Leben, wann immer eine Krisensituation entsteht, um schnelle Resultate dieser Bewegungen vorlegen zu können. Doch die chronischen wirtschaftlichen Probleme und die endlosen Speed Battles erschöpfen die Menschen. Es ist daher schwierig, zu erwarten, dass diese Kampagnen nach nordkoreanischem Stil langfristig nur gute Ergebnisse erzielen.

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