Zum Menü Zum Inhalt
Go Top

Kultur

Cho Haejin : „Der Federball in der Luft“ (2023)

2023-09-19

ⓒ Getty Images Bank
Hye-eun, ich schreibe dir mit der Hilfe deines Cousins Ho-su. Ich bin David Baker und mein koreanischer Name ist Shin Yeong-mok신영목. Als ich zehn Monate alt war, wurde ich von Mr. und Mrs. Baker aus Milwaukee, Wisconsin, adoptiert und kam im August 1997 nach Amerika. 
Ehrlich gesagt, als ich aufwuchs, war ich nicht besonders neugierig auf meine Herkunft und wollte sie auch nicht herausfinden. Ich dachte, dass eine Mutter, die ein 20 Pfund schweres Baby abgegeben hatte, es nicht verdiente, verstanden zu werden, egal wie ihre Situation war. Durch irgendeine Wendung der Ereignisse zog ich schließlich nach Atlanta, und da beschloss ich, nach meinen biologischen Eltern zu suchen, insbesondere nach meiner leiblichen Mutter. 


Als ich einige Zeit gelaufen war, hörte ich ein klatschendes Geräusch. Ich folgte dem Geräusch und fand ein junges Paar, das auf einem leeren Grundstück Federball spielte. 
An meinem zwanzigsten Geburtstag erzählte mir meine Mutter, deren Gesicht gerötet war, weil sie Soju getrunken hatte, dass sie in der Mittagspause mit ihren Kollegen in der Fabrik Badminton gespielt habe, und dass sie oft mit ihm zusammen gespielt habe. Als sie eines Tages vom Federball an der Stirn getroffen wurde, war er der Erste, der zu ihr rannte und sie fragte, ob es ihr gut ginge, bevor er ihr mit seiner Handfläche über die Stirn strich. Das war alles. Das war die einzige Verabredung, die sie mit ihm gehabt hatte.


Wenn sie den Federball in die Luft warf und ihn mit dem Schläger traf, bewegte sich meine Mutter flink wie ein Reh. Wahrscheinlich tat sie das. Diesen Anblick würde ich nie vergessen können, obwohl ich ihn nie gesehen hatte. 
Die beiden packten ihre Schläger ein und verließen den Platz, aber ich sah noch immer den Federball in hohem Bogen hin und her fliegen. Es war nicht Gottes Wille oder das Ergebnis einer Sünde, sondern eher eine Metapher für ein Stück Leben, das irgendwo im Raum dazwischen hin und her schwankte.
Ich stand lange Zeit ganz allein da und beschloss, dass ich David, wenn ich ihm jemals wieder eine E-Mail schreiben würde, von dem Federball erzählen würde, der sich wie ein Pendel hin und her bewegte. Von dem Federball in der Luft, diesem niemals endenden Bild.



Cho Haejin (*1976): „Der Federball in der Luft“ (2023)

Die Redaktion empfiehlt

Close

Diese Webseite verwendet Cookies und andere Techniken, um die Servicequalität zu verbessern. Die fortgesetzte Nutzung der Webseite gilt als Zustimmung zur Anwendung dieser Techniken und zu den Richtlinien von KBS. Mehr >