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Kultur

Yisang: „Begegnungen und Abschied“ (1936)

2023-06-06

ⓒ Getty Images Bank

Ich war dreiundzwanzig. Es war März. Ich musste Blut spucken.

Ich schnitt mir den Schnurrbart ab, den ich sechs Monate lang sorgfältig gepflegt hatte, so dass nur noch ein schmetterlingsgroßer Teil übrig blieb, nahm ein Päckchen mit Heilkräutern und ging zu einer abgelegenen heißen Quelle. Es hätte mir nichts ausgemacht, dort zu sterben.

Aber die noch nicht erblühte Jugend klammerte sich unweigerlich an den Apotheker und bettelte darum, gerettet zu werden. Im kalten Licht des Gasthauses fühlte ich mich jede Nacht betrogen.



Ich vergaß die Medizin, die ich mitgebracht hatte, und konzentrierte mich nur darauf, Geum-hong zu lieben. Es mag töricht klingen, aber die Macht der Liebe half mir, dass ich kein Blut erbrechen musste.

Aber ich zahlte Geum-hong nie Geld. Warum? Weil sie immer in meinem Zimmer war, oder ich immer in ihrem. 

Stattdessen stellte ich Geum-hong einen Studenten namens Woo vor, der in Frankreich studiert hatte. Wie ich es ihr aufgetragen hatte, ging sie mit Woo in ein privates Bad. Diese Badewanne war eine ziemlich obszöne Einrichtung. 

Ich empfahl sie auch Rechtsanwalt C, der im Zimmer neben mir wohnte. 

Trotzdem blieb meine geliebte Geum-hong an meiner Seite. Schüchtern zeigte sie mir mehrere Zehn-Won-Banknoten, die sie von Woo und Rechtsanwalt C erhalten hatte. 



Sie brachte einen kleinen tragbaren Tisch mit Schnapsgläsern herein. 

Ich trank ein Glas, sie trank ein Glas. Ich sang eine Zeile aus einem Lied, und sie sang eine Zeile aus einem anderen Lied.

Die Nacht vertiefte sich und unser Gespräch mündete schließlich in der Erkenntnis, dass wir in diesem Leben für immer getrennt sein würden. Geum-hong sang ein trauriges Lied, das ich noch nie gehört hatte, während sie mit einem Silberlöffel rhythmisch auf den kleinen Tisch klopfte. 

"Wir sind in einem Traum, auch wenn wir betrogen werden, wir sind in einem Traum, auch wenn wir uns betrügen. Du vergängliche Welt, hierhin und dorthin schlängelnd, entzünde unsere verdunkelten Herzen.“




Yisang (1910-1937): „Begegnungen und Abschied“ (1936) 

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