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Kultur

Lee Kyung-ran: „Das Haus der Imos“ (2019)

2023-03-21

ⓒ Getty Images Bank

Als sie beschlossen hatte, eine Haushaltshilfe einzustellen, hatte Yu-jin Jin-hyeong scherzhaft gefragt: 

„Alles nennen sie ihre Haushaltshilfe Imo. Warum eigentlich Imo? Tante mütterlicherseits. Genauso gut könnte man doch auch Gomo sagen, Tante väterlicherseits?“

Jin-hyeong sah sie nur mitleidig an. Sie hörte auf zu lachen.

„Die Bedienung im Imbissladen nennt man doch auch Imo, also“, meinte er.

Diese Erinnerung trübte plötzlich ihre Stimmung. 

Sie hatten anfangs keine Imo gehabt, aber in den letzten zwei Jahren schließlich fünf. Eine war drei Monate geblieben, eine andere sechs. Einmal hatten sie eine, die nur zehn Tage blieb. Die jüngste, Bok-rye, war erst im fünften Monat. 

„Die Imos anderer Leute sind jahrelang geblieben. Was ist bloß mit unseren los?“, fragte sich Yu-jin.



Yu-jins Vater hatte sein Bestes getan, um ihr das Leben nach dem Tod ihrer Mutter angenehm zu gestalten. Wenn er sie aufweckte, fand sie das Frühstück auf dem Tisch und ihre Schuluniform ordentlich gebügelt auf einem Bügel. Noch bevor sie ihre erste Periode bekam, hatte er den Medizinschrank mit Damenbinden in verschiedenen Größen gefüllt. Yu-jin war sich sicher, dass es in ihrem Leben an nichts fehlte, außer an ihrer Mutter. Zumindest nicht, bis sie anfing, sich auf ihre Hochzeit vorzubereiten.

Während sie zarte Porzellanteller statt weißer Corelle-Schüsseln, ein Set europäischer Teetassen statt großer, stabiler Becher, ein halbes Dutzend Weingläser und eine Salatschüssel aus Kristall gekauft hatte, war ihr der Unterschied zwischen Überleben und Leben bewusst geworden. 

Auch die Zeit, die sie mit ihrem Vater verbracht hatte, der das ganze Jahr über eine waschbare Decke benutzte, war kein Leben, das man genoss, sondern eines, das man ertrug. 

„Hätte ich ihr sagen sollen, dass sie meine Decke nicht aus dem Schlafzimmerschrank nehmen soll? Oder hätte ich ihr ein neues Bettzeug geben sollen?“, fragte sie sich nun.



Jin-hyeong öffnete leise die Tür zu Minsus Zimmer, um ihn auf das Bett zu legen, während Yu-jin in die Küche schlich. 

Auf dem Tisch standen drei goldumrandete Kaffeetassen, die Yu-jin als Hochzeitsgeschenk mitgebracht hatte. Sie hatte sie seit der Einweihungsparty nie mehr benutzt. Yu-jin hob sie vorsichtig auf und stellte sie in die Spüle. Eine der Tassen war am Rand zerbrochen. 

Jin-hyeong kam aus Min-sus Zimmer und Yu-jin von der Spüle, Gleichzeitig gingen sie auf die Wolldecke zu. Sie betrachten die Klumpen unter der Decke. Wie friedlich die beiden Imos aussahen. 

Jin-hyeong schaltete die Klimaanlage aus und Yu-jin den Fernseher. Die beiden gingen leise in ihr Schlafzimmer und schlossen lautlos die Tür.




Lee Kyung-ran: „Das Haus der Imos“ (2019)

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