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Kultur

Yeom Sang-seop: „Vor dem 1. März“ (1924) – Teil 3

2023-03-14

ⓒ Getty Images Bank

Ich war strikt dagegen, ihren Leichnam nach Cheongju zu überführen. Ich hatte mich vehement gegen eine fünftägige Trauerfeier gewehrt, und so wurde sie drei Tage später auf einem öffentlichen Friedhof beigesetzt. Die Familie war verärgert und dachte wahrscheinlich, ich sei kaltherzig oder erleichtert über ihren Tod. Aber ich bestand trotzdem darauf. 



Ein Glas am Morgen, ein Glas am Nachmittag und ein Glas am Abend. Ein Glas für die Reichen und ein Glas für die Armen.

Es gibt keinen anderen Weg und kein anderes Mittel als Alkohol. Sie leben nicht, sondern werden ziellos herumgeschleppt, vielleicht sogar ins Grab. Aber heutzutage scheinen sie darum zu kämpfen, nicht auf einen öffentlichen Friedhof geschleppt zu werden. Wenn man den heutigen Koreanern das Schnapsglas wegnimmt, ist das so, als würde man sie auffordern, sich das Leben zu nehmen. 

Schenk ein! Trinkt aus! Und vergesst! Das ist wohl ihre einzige Lebenseinstellung. 



Meine Umgebung gleicht einem Friedhof. Wie kann ich hoffen, in dieser Stadt der Blumen zu atmen und zu tanzen, wenn ich in einem Grab sitze, das mit leblosen Menschen in Weiß und mit Kobolden gefüllt ist, die am helllichten Tage umherlaufen. Das einzige, was mein zerbrechliches Ich heimsuchen wird, ist das Ersticken. Es ist kein glückliches Ersticken, berauscht vom Duft der Rosen etwa, sondern ein qualvolles Ersticken an Maden, die langsam in den Gräbern versteinern. Diesem Ersticken muss ich erst entkommen. 

Haben Sie schon einmal ein Land gesehen, in dem Grundschullehrer mit einem Säbel in der Hand zum Unterricht antreten? Ich gehöre zum Volk eines solchen Landes.  

Man sagt, dass sich der Blutgeruch des schrecklichen Gemetzels in Europa verflüchtigt habe und ein Waffenstillstandsabkommen ausgearbeitet werde. Ich glaube, sie haben die nutzlosen Waffen niedergelegt und begonnen, über die Wiederbelebung der Menschheit nachzudenken. 

Der Weg unserer Literatur ist es, ein freies und wahres Leben zu finden, und ihre Aufgabe ist es, dieses Leben zu ermöglichen. 




Yeom Sang-seop (1897-1963): „Vor dem 1. März“ (1924) – Teil 3 

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