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Nordkorea

Volksmedizin in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2023-05-31

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ Getty Images Bank

Viele Südkoreaner denken bei Unwohlsein zunächst an Hausmittel, bevor sie einen Arzt konsultieren. Oft handelt es sich dabei auch um traditionelle Medizin oder Volksmedizin. Wenn sie nicht aufhören zu husten, wenden sie zum Beispiel Tee aus der Wurzel der Ballonblume an. Auch glauben viele, dass Rizinusöl wirksam gegen Verstopfung und koreanische Pflaumen gut bei Magenproblemen sind. Im benachbarten Nordkorea scheinen die Menschen noch rascher zu Volksmedzin zu greifen. Seit alters nutzen die Menschen natürliche Mittel, um Krankheiten zu heilen. Aspirin wird als gutes Beispiel genannt. Es wird als eines der drei besten Arzneimittel gesehen, die von Menschen entwickelt wurden. Die Wurzeln von Aspirin liegen im Extrakt der Weidenrinde. Mit dem medizinischen Fortschritt sind viele traditionelle Mittel mittlerweile verschwunden. Doch ist das nicht der Fall in Nordkorea. Zum Thema sagt Hyun In-ae vom Ewha-Institut für Vereinigungsstudien in Südkorea:  


Nachdem ich nach Südkorea gekommen war, sah ich, dass Volksmittel als Folge der fortgeschrittenen medizinischen Entwicklung, der verschiedenen Arzneimittel und des modernen Behandlungssystems nicht mehr wirklich nötig waren. In Nordkorea stellt sich eine andere Situation dar. Arzneimittel sind kaum vorhanden, und viele Krankheiten können nicht geheilt werden. Es ist also kein Wunder, dass Volksmittel im Land weitverbreitet sind. 


Hyun, die aus Nordkorea stammt, studierte an der Kim-Il-sung-Universität in Pjöngjang und arbeitete in ihrer alten Heimat als Dozentin an einer Hochschule. Nach ihrer Flucht nach Südkorea sei sie überrascht gewesen, wie gut entwickelt die medizinische Infrastruktur dort sei, sagt sie. Für Nordkoreaner machen traditionelle Heilmittel einen großen Teil des Alltags aus:


Im Allgemeinen stillen nordkoreanische Mütter ihre Babys. Als traditionelles Heilmittel essen sie gekochte Schweinsfüße, um die Milchproduktion während der Stillzeit zu erhöhen. Herzspannkraut wird für die weibliche Fruchtbarkeit gebraucht. Das Gewürz wird in der Form des Yeot, oder koreanisches Toffee, verarbeitet. Leberkrebs kann in Nordkorea nicht geheilt werden, weil es keine modernen Einrichtungen für die Operation oder Lebertransplantationen gibt. Um die Krankheit zu behandeln, trinken die Einwohner Tee aus braunem Reis sowie Gewürztee aus der Wurzel der Kletterpflanze. Wenn sie eine Erkältung haben, höhlen sie oft den Kern einer asiatischen Birne aus, beträufeln den Kern mit Honig und dünsten ihn. 


Auch unter Südkoreanern ist es bekannt, dass gedünstete Birne mit Honig gut bei Erkältungen ist. Für die Nordkoreaner sind jedoch traditionelle Mittel unverzichtbar für die Behandlung von Krankheiten. Wenn sie Husten haben, kochen sie die Wurzeln grüner Zwiebeln in Speiseöl. Bei Halzschmerzen essen sie rohe Eier. Im Fall einer Lebensmittelvergiftung mahlen sie rohe Mungbohnen oder Eicheln und trinken sie. Als Alternative lösen sie Kartoffelstärke in Wasser auf und trinken sie. Auch bei schweren Erkrankungen greifen sie auf traditionelle Mittel zurück. In den staatlichen Medien wird oft von Volksmedizin gesprochen:


Zahlreiche Volksmittel sind wirksam, um eine Grippe zu verhindern. Salzwasser, Backpulverwasser und Knoblauchsaft werden ebenfalls empfohlen. 


Der beste Weg, sich gegen eine Grippe zu schützen, ist die Impfung. Im vergangenen Winter hatte das nordkoreanische Staatsfernsehen vor einer Grippeepidemie gewarnt. Zugleich wurden traditionelle Mittel empfohlen, die gegen die Grippe wirskam sein könnten. Auch als sich das Coronavirus im Land verbreitete, stellten die Medien ähnliche Mittel vor:


Das Fernsehen und die Zeitungen in Nordkorea empfahlen Menschen, die an Covid-19 erkrankten, drei bis vier Gramm an Geißblättern in Wasser zu kochen und dieses dann zu trinken. Es wird gesagt, dass die Pflanze eine effektive Therapie gegen Bronchitis sein kann. Sie könnte also auch bei Atemwegserkrankungen wie Covid-19 helfen. Gekochte Weidenrinde wird normalerweise als traditionelle Medizin genommen. Doch Nordkorea riet den Menschen, Weidenblätter, nicht die Rinde, zu kochen, und zwar jeweils vier bis fünf Gramm, um Covid zu behandeln. Nordkorea war offenbar besorgt, die Menschen könnten sämtliche Weidenbäume in Pjöngjang entrinden. 


Im Mai des vergangenen Jahres berichtete die offizielle nordkoreanische Zeitung Rodong Sinmun darüber, Geißblatt und Indongcho seien gut als Behandlungsmittel gegen Covid-19. Die Pflanzen würden den Hustenreiz und die Schleimbildung verhindern. Auch wurde den Menschen empfohlen, Weidenblätter zu kochen und das Wasser zu trinken. Diese Pflanzen erwiesen sich in einigen Fällen als traditionelle Medizin als wirksam. Speziell die Rinder oder Blätter des Weidenbaums können Entzündungen, Fieber und bestimmte Schmerzen lindern. Doch sind sie keine praktische Lösung für Covid-19. Im Januar 2020 schloss Nordkorea seine Landesgrenzen. Zwei Monate zuvor waren die ersten Fälle von Infektionen mit einem neuartigen Coronavirus in China bekannt geworden. Nordkorea fehlten damals schon wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der internationalen Sanktionen gegen das Land die nötigen Arzneimittel. Lange Zeit behauptete Nordkorea, keinen einzigen Corona-Infektionsfall im Land zu haben. Zugleich betonte es, über ein überlegenes Gesundheitswesen zu verfügen. Doch die interne Situation sah in Wirklichkeit anders aus: 


Südkorea hat Covid-19-Impfstoffe und Gegenmittel importiert. Doch für Nordkorea ist es schwierig, diese etwa aus den USA einzuführen. Schlimmer noch, Nordkorea lehnte das Angebot Chinas ab, Sinovac-Impfstoffe zu liefern. Wegen der Grenzschließungen war es für die Nordkoreaner zunehmend schwieriger, gewöhnliche Arzneistoffe wie etwa Fiebermittel und Aspirin zu erhalten, da sich die Bestände reduzierten. Menschen mit Covid-19 litten, ohne irgendeine Medizin einzunehmen. In Nordkorea haben viele Menschen aufgrund der Mangelernährung Gesundheitsprobleme. Schwächere Menschen sterben, ohne jemals die nötige Medizin eingenommen zu haben. 


Nordkorea lehnte während der Corona-Pandemie internationale Hilfe ab und betonte dagegen die Eigenständigkeit des Landes:


Nordkorea produziert selber Medizin, obschon nur in kleinen Mengen. Vor der Pandemie wurden pharmazeutische Pflanzen genutzt, um Penicillin und Aspirin herzustellen. Tatsächlich importiert Nordkorea eine bedeutende Menge an Rohmaterialien für die Arzneimittel aus China. Nachdem Nordkorea den Import gestoppt hatte, mussten die einheimischen Anlagen die Produktion von Medikamenten reduzieren.  


Nordkorea betreibt zehn zentrale pharmazeutische Produktionsanlagen. Doch durch die Grenzschließungen und den Importstopp für Rohmaterialien verschärfte sich der Mangel an Medikamenten. Den Bewohnern wurde empfohlen, auf Volksmedizin zurückzugreifen. Im Mai 2022 bestätigte dann Nordkorea erstmals den Ausbruch von Covid-19 im eigenen Land:


Es hat sich die schwerwiegendste Notlage im Land als Folge einer Lücke an unserer Notfall-Quarantäne-Front ereignet, die in den vergangenen zwei Jahren und drei Monate standgehalten hat. 


Nordkorea berichtete, dass täglich Hunderttausende von Fieberfällen erfasst worden seien. Doch noch immer weigerte sich das Land, Hilfsangebote von Südkorea oder den UN anzunehmen, und betonte stattdessen, wie wirksam traditionelle Mittel seien:


Kochen Sie fünf bis sieben Lauchwurzeln in Wasser und trinken Sie es. Zerkleinern Sie Ingwer, füllen Sie damit die Hälfte einer kleinen Tasse und nehmen Sie es zu sich, bevor sie schlafengehen. Das ist sehr hilfreich, um das Fieber zu senken. 


Ein Gesundheistsbeamter erläuterte im staatlichen Fernsehen einige traditionelle Mittel, die die Folgen von Covid-19 abmildern könnten. Menschen, die die Krankheit überwunden haben, sagten, dass sich die Volksmedizin als wirksam erwiesen habe:


Ich habe Ingwertee und heißes Wasser getrunken. Ich gurgelte immer wieder mit Salzwasser. Nach einer Weile war ich wieder vollkommen genesen. 


Nordkorea ermutigt die Bürger, selber Gesundheitskräuter zu sammeln: 


In Nordkorea müssen Ärzte, Krankenschwestern und Medizinstudenten jedes Jahr eine bestimmte Menge an Kräutern sammeln. Die Studenten gehen dafür einen Monat in die Felder oder Berge. Ärzte arbeiten während der Käuter-Sammelzeit vielleicht nicht in den Kliniken, da sie sie Quote von acht Kilogramm erfüllen müssen. 


Aber auch die anderen Bürger sammeln im April, Mai, September und Oktober auf den Bergen in ihrer Nähe Kräuter. Seit den 1960er Jahren hat Nordkorea eine freie medizinische Versorgung für die Bürger betrieben. Nordkorea preist sein Gesundheitssystem als bestes derartiges sozialistisches System. Doch das freie Versorgungssystem begann in den 90er Jahren zu zerfallen. Damals erlebte das Land extreme wirtschaftliche Schwierigkeiten, und die Nordkoreaner beschrieben die Zeit auch als Periode des “mühsamen Marsches”. Der Staat hatte früher die Kosten für die medizinische Untersuchung, die Behandlung und die Medikamente übernommen. Doch als das sozialistische Gesundheitssystem auseinanderfiel, griffen die Bewohner auf traditionelle Mittel zurück, weil sie nicht rechtzeitig und angemessen behandelt werden konnten:


Natürlich sind traditionelle Heilmittel nicht schlecht. Was ich meine, ist, dass sich die Nordkoreaner zu sehr auf sie verlassen. Nordkorea kann Krankheiten nicht bekämpfen, die mithilfe moderner Medizin ausgerottet werden können. Es gibt einfach nicht genug Hausmittel im Land. Das ist der Grund, warum die Einheimischen zu Volksmedizin greifen. Falls Nordkorea seinen Bürgern die angemessene medizinische Behandlungen bieten will, muss es eine medizinische Industrie entwickeln. Doch das kann sich das Land nicht leisten. Nordkorea sollte also zunächst die wirtschaftlichen Probleme lösen. Wenn ein Land über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt, kann es medizinische Fähigkeiten erwerben, und die Menschen können Krankheiten heilen und länger leben. Sie brauchen dann nicht notgedrungen von Volksheilmitteln abhängen. 


Nordkorea erfährt ein dreifaches Problem: ein zusammengebrochenes Gesundheitssystem, internationale Sanktionen und die Folgen der eigenen Grenzschließungen wegen der Corona-Pandemie. Falls sich die aktuelle Situation nicht entspannt, werden die Menschen zur Not weiter zu traditionellen Heilmitteln greifen.

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