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Nordkorea

Die Landwirtschaft in Nordkorea

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2022-03-16

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ Getty Images Bank

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hatte in diesem Jahr wie schon 2021 auf eine Neujahrsansprache verzichtet. Die offizielle Zeitung Rodong Sinmun berichtete stattdessen über die Diskussionen bei einer Plenarsitzung des Zentralkomitees der Arbeiterpartei. Dabei habe der Machthaber die “landwirtschaftliche Entwicklung” als separate Agenda festgelegt. Er betonte demnach, dass die Steigerung der Agrarproduktion und die Verbesserung des landwirtschaftlichen Umfelds zu den drigendsten Aufgaben gehörten. Zur Landwirtschat in Nordkorea sagt der Forscher Kim Young-hoon vom Korea Rural Economic Institute: 


Die Landwirtschaft wird in Nordkorea natürlich als wichtig erachtet, da das Land die Bürger ernähren muss. Sie ermöglichte es dem Staat, das nötige Kapital für die wirtschaftliche Entwicklung im Frühstadium zu beschaffen. Der Industriezweig bildet die Grundlage dafür, die sozialistische Wirtschaft Nordkoreas zu vervollständigen. Ich besuchte Nordkorea 1989 zum ersten Mal, als der “mühsame Marsch” so gut wie vorbei war. Damals waren die lokalen landwirtschaftlichen Betriebe äußerst verarmt, und die Produktivität war niedrig. Ich besuchte Nordkoreas Bauerndörfer erneut in den 2000er Jahren, als Süd- und Nordkorea einige Projekte der landwirtschaftlichen Zusammenarbeit durchführten. Doch das landwirtschaftliche Umfeld schien sich dadurch nicht zu verbessern. Wegen der unzureichenden Bewässerungsanlagen und des unfruchtbaren Bodens war kaum zu erwarten, dass das Land genug Agrarprodukte erzeugt. 


Süd- und Nordkorea weisen Parallelen auf, wenn es um die Größe des Ackerlands, der natürlichen Umgebung, der Lebenskultur und des landwirtschaftlichen Umfelds geht. Doch herrscht wegen der unterschiedlichen Anbaumethoden und der landwirtschaftlichen Infrastruktur eine große Kluft bei der Produktivität: 


Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche in Südkorea beläuft sich auf 1,9 Millionen Hektar, ähnlich wie in Nordkorea. Beide Länder weisen ähnliche natürliche Bedingungen einschließlich des Klimas auf. Beide bauen Reis, Mais und Sojabohnen an und kultivieren ähnliche Gemüsesorten. Doch Südkorea verfügt über mehr Flachland als Nordkorea. 55 Prozent davon sind Reisanbauflächen, während die übrigen 45 Prozent anderer Bodenbewachsung dienen. Das Verhältnis in Nordkorea, wo ein beträchtlicher Teil des Landes aus Bergen und Hochland besteht, beträgt 30 zu 70. Nordkorea strebt die Selbstständigkeit in der Nahrungsmittelproduktion an. Darum versucht das Land, alles aus seinen Anbauflächen herauszuholen, und in einigen Regionen hat es sogar zwei Ernten auf dem selben Feld in einem Jahr. Südkorea lässt viel Land ungenutzt, weil die Kultivierung zu ineffizient wäre. Es importiert Agrarprodukte oder Nahrungsmittel aus dem Ausland. Nordkoreas Agrarproduktivität ist niedrig, sie beträgt etwa zwei Drittel derjenigen in Südkorea. Das liegt hauptsächlich am Mangel an relevanten Einrichtungen und Materialien sowie an den zerstörten Waldflächen. 


In Südkorea zeichnet sich die Landwirtschaft vor allem durch Familienbetriebe und kommerziellen Anbau aus. Nordkoreas Landwirtschaft beruht vor allem auf Kollektivbetriebe. Nordkorea setzte 1946, ein Jahr nach der Befreiung Koreas von japanischer Kolonialherrschaft, eine Bodenreform um. Im August 1953 beschloss es, ein kollektives Landwirtschaftssystem einzuführen. Auf die Kollektivbetriebe entfallen 90 Prozent der Landwirtschaft, während staatliche Betriebe 10 Prozent ausmachen:


Nordkoreas Bodenreform umfasste die Enteignung von Land von großen Landbesitzern und dessen Umverteilung an die armen Landwirte und Landarbeiter. Nach dem Abschluss der Reform begann Nordkorea, das kollektive Landwirtschaftssystem umzusetzen. Es schaffte einen Kollektivbetrieb in jeder Verwaltungseinheit, indem es die Landwirte, die kein Land hatten, zusammenbrachte. Das Projekt begann 1953. In nur fünf Jahren war das Land komplett kollektiviert. Die Familienbetriebe verschwanden dadurch, während sich die lokalen Landwirte den Kollektivbetrieben in ihrer Region anschlossen. Das restliche Anbaugebiet wurde verstaatlicht und in staatliche Betriebe umgewandelt. Ein Kollektivbetrieb umfasst in der Regel 300 bis 500 Menschen und 500 Hektar Land. 


Die kollektiven Landwirtschaftsbetriebe wurden durch die Dörfer umgruppiert und gemeinsam auf Dorfebene verwaltet. Ein Kollektivbetrieb dient als Verwaltungseinheit, als eine Lebensgemeinschaft und eine Organisation, die Agrarprodukte erzeugt: 


Ein landwirschaftlicher Kollektivbetrieb hat Produktions- und Verwaltungsorganisationen. Die Produktionsorganisatioin verfügt über zehn Arbeitsgruppen, wobei jede Gruppe ihre eigenen Aufgaben ausführt, wie etwa Getreide- oder Gemüseanbau. Die Arbeitsgruppen haben Untergruppen, die noch Anfang der 90er Jahre aus etwa 20 Mitgliedern bestand. Doch die Zahl schrumpfte nachher deutlich. Die Managementorganisation hat es mit Verwaltungsangelegenheiten sowie mit der Planung und der Ausbildung zu tun. Als Lebensgemeinschaft hat ein Kollektivbetrieb eine Schule, ein Kinderbetreuungszentrum, ein öffentliches Gesundheitszentrum, kulturelle Einrichtungen und Läden. 


Nordkorea betreibt unter dem Kabinett eine Agrarkommission. Dazu gehören Rechnungsausschüsse für die Landwirtschaft auf Provinzebene sowie Verwaltungsausschüsse für die Kollektivbetriebe in den Landkreisen. Die Verwaltungsausschüsse spielen eine Schlüsselrolle bei der Verwaltung der kollektiven Betriebe. Diese zahlen Gebühren für die Landnutzung an den Staat, der den Betrieben Zielquoten vorgibt, die erfüllt werden müssen:


Der Staat stattet die Kollektivbetriebe mit dem Nötigen aus, darunter Düngemittel, Agrartechnik und die grundlegende Infrastruktur. Im Gegenzug verkaufen die Betriebe ihre Erzeugnisse an den Staat zu niedrigen staatlichen Preisen. Der Staat verteilt dann die Agrarprodukte an die Bevölkerung. Früher formulierte die Zentralregierung den Basisplan und sandte diesen an die Kollektivbetriebe. Auf der Basis dieses Plans erarbeiteten die Betriebe ihre eigenen Pläne und legten sie der Zentralregierung vor, die den Produktions- und Verteilungsrahmen festlegte. 


Nordkorea versuchte, verschiedene Anbautechniken umzusetzen. So wurde zum Beispiel die Chongsan-ri-Methode vom früheren Staatschef Kim Il-sung vorgeschlagen, als dieser einen Kollektivbetrieb mit dem selben Namen inspizierte. Sie sieht vor, dass Büros auf höherer Verwaltungsebene und Vorgesetzte den niedrig gestellten Büros bei ihren Aufgaben halfen. Auch führten sie Vorort-Inspektionen durch, um die Situation richtig einschätzen und Probleme beheben zu können. Eine andere Technik wird als Juche-Anbaumethode bezeichnet. Sie tauchte Anfang der 70er Jahre auf, und das Ziel war, besser mit den klimatischen Bedingungen umzugehen und die Produktion zu erhöhen:

 

Die Juche-Anbaumethode wurde 1973 auf Anweisung von Kim Il-sung eingeführt. Während er Kollektivbetriebe besuchte, sah er die Notwendigkeit, in sämtlichen Anbauverfahren einschließlich des Bodenmanagments und der Saaten die Wissenschaft und Technologie anzuwenden. Die Methode stand für einen intensiven Anbau. Doch die ideologisch gefärbte Methode stieß auf Grenzen. Sie schaffte es nicht, angemessen mit dem Klimwandel umzugehen. Als die innerkoreanische Agrarkooperation Anfang und Mitte der 2000er Jahre noch aktiv umgesetzt wurde, besuchten zahlreiche südkoreanische Agrarexperten Nordkorea. Sie waren überrascht, als sie sahen, wie eng die Getreidepflanzen zusammenstanden. Sie vermuteten, dass die überkommene Methode zu einer Bodenerschöpfung und am Ende zu einem Rückgang der Produktion führt. Nordkorea greift jetzt weniger auf diese Anbautechnik zurück, doch ist es ein deutliches Beispiel für die Grenzen der Juche-Methode. 


Nach dem Kollaps des sozialistischen Systems in den 90er Jahren sah sich Nordkorea in einer ernsthaften Krise. Es war für das Land schwierig, chemische Düngemittel, Energie, Agrarausrüstungen und nötige Reifen für den Ackerbau zu importieren. Hinzu kamen Naturkatastrophen, die die Landwirtschaft in eine Krise stürzten. Die Produktion ging zurück und Produktionsanlagen wurden zerstört. Als Folge davon wurde die Nahrungsmittelverteilung ausgesetzt und zahllose Menschen litten Hunger, was den Beginn des “mühsamen Marschs” signalisierte:


Nordkorea führte 1966 ein Sub-Vertragssystem ein, das einzelnen Landwirten in kleineren Untergruppen Anreize verschaffen sollte, sobald sie ihre Produtionsquote erfüllten oder übererfüllten. Doch der Staat bot keine Sachleistungen an, sondern erlaubte es ihnen, den Überschuss an den Staat zu niedrigen staatlichen Preisen zu verkaufen. Selbst wenn die Landwirte also einen Überschuss produzierten, verdienten sie nur wenig Geld, was nicht als Anreiz gesehen wurde. 1996 setzte Nordkorea eine Agrarreform in Kraft, als es von der schweren Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise getroffen war. Die Reformmaßnahme sah vor, dass der Ernteüberschuss an die Landwirte zurückging. Wenn sie Reis als Anreiz erhielten, konnte sie ihn auf dem Markt zu einem hohen Preis verkaufen und Gewinn machen. Der Zweck der neuen Maßnahme war es, die Landwirte zu härterer Arbeit zu motivieren, um die Produktivität zu erhöhen. Doch gab es keinen Beweis dafür, dass sich die Nahrungsmittelproduktion nach der Reform rasch erhöhte. Vielleicht wurde das neue System gar nicht umgesetzt oder es scheiterte. Nordkorea führte mehrfach Agrarreformmaßnahmen durch, doch schienen sie nicht erfolgreich gewesen zu sein. 


Nachdem Ende 2011 Kim Jong-un an die Macht gekommen war, ergriff Nordkorea verschiedene politische Maßnahmen, darunter auch die Genehmigung für landwirtschaftliche Kollektivbetriebe, frei über ihre erzielten Überschüsse zu verfügen, sobald sie ihr Produktionsziel erreicht haben:


Der Ausdruck “Pojon-System” tauchte in Nordkorea erstmals 2002 auf. Pojon bezieht sich auf ein kleines Feld oder eine Parzelle, die von einer Familie landwirtschaftlich genutzt wird. Wir haben viele nordkoreanische Dokumente ausgewertet, aber wir sind uns ist immer noch nicht klar geworden, wie das System arbeitet. Einige sagen, dass jeder Familie ein Feld zugewiesen wird, und dass sie das Recht hat, es zu bearbeiten. Doch nehmen wir an, dass die Landwirte nur eine größere Verantwortung für die Produktion tragen und nicht so sehr über größere Managementautonomie verfügen. Falls den einzelnen Landwirten erlaubt wäre, ihre Flächen selber zu managen und ihre Produkte frei zu verkaufen, würden sie die Anreize vollständig auskosten, und die Agrarproduktion würde bedeutsam steigen. Seit 2012 jedoch gab es in der nordkoreanischen Nahrungsmittel- und Agrarproduktion keine nennenswerten Veränderungen. Das Pojon-System könnte in Bauerndörfern betrieben worden sein, oder wir haben das System von Anfang an falsch verstanden. 


Es scheint, als ob Nordkorea unterschiedliche landwirtschaftliche Reformmaßnahmen umzusetzen versuchte, um die Produktivität zu steigern, doch ein bedeutender Fortschritt blieb aus. Während der Parteisitzung Ende des vergangenen Jahres präsentierte das Land neue Ziele für die Landwirtschaft und versprach, die Ernährungsprobleme innerhalb der nächsten zehn Jahre komplett zu überwinden.

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