FRAGE: Egon Lemke aus Gelsenkirchen fragt: Am ersten Geburtstag legt man in Korea einem Kind verschiedene Gegenstände wie Pinsel, Fäden, ein Buch usw. vor. Was bedeutet das?

ANTWORT: Sie beziehen sich hier auf Dol, wie der erste Geburtstag eines Kindes in Korea genannt wird. Dieser erste Geburtstag wird in Korea nach wie vor sehr groß mit Familie, Verwandten, Freunden und auch Kollegen gefeiert, manchmal in mehreren Etappen, d.h. einmal mit Familie und Verwandten, dann mit Freunden, dann mit Kollegen. Der Hintergrund ist, dass in der Vergangenheit viele Kinder in Korea den ersten Geburtstag nicht überlebt haben. Wenn ein Kind es bis dahin geschafft hatte, war ein entsprechend großes Fest angesagt, an dem früher das ganze Dorf teilnahm, um beim Dol janchi der entsprechenden Feier, um langes Leben, Glück und Wohlstand des Kindes zu bitten und selbige zu wünschen. Die Gäste schenken bis heute zum Dol 24 Karat-Goldringe oder -Armbänder, Kleider oder Geld. Das einjährige Kind bekommt zum Dol auch seinen ersten Hanbok, die traditionelle koreanische Tracht, und zwar komplett bis zum Kopfschmuck. Heute lassen manche Familien farblich abgestimmte Sets für die Dol-Feier für Eltern, Kind und manchmal sogar Großeltern anfertigen.

Highlight des Dol janchi ist das sog. Doljabi, das in der Regel auf das gemeinsame Essen folgt. Dafür wird vor dem Geburtstagskind ein Tisch mit verschiedenen Gegenständen aufgebaut, nach denen das Kind dann natürlich greift. Der Gegenstand, den es zuerst in die Hand nimmt, soll etwas über sein künftiges Schicksal und seine Zukunft aussagen. Zu den Gegenständen gehören üblicherweise Geld, ein Strang weißer Baumwolle, Reis und ein Pinsel. Greift das Kind nach dem Geld, wird es zu Reichtum kommen. Reis bedeutet, dass es im Leben nie etwas entbehren muss, was früher in Korea, als Hungersnöte nichts Ungewöhnliches waren, ein wichtiger Aspekt war. Der Baumwollstrang steht für langes Leben und der Pinsel für Gelehrsamkeit. Heutzutage wird der Pinsel durchaus schon mal durch eine Computermaus ersetzt, in der Hoffnung, dass der Sprößling erfolgreich im IT-Bereich sein wird. Auch über eine Zahnbürste sollte man sich nicht wundern, Zahnärzte hat man in Korea ebenfalls gerne in der Familie.

Typisch für das Dol janchi ist bis heute ein Tisch reich beladen mit Regenbogen-Reiskuchen, Bergen von Obst und Miyeok-guk, Seetangsuppe. Wie auch schon bei der Hundert-Tage-Feier Baek-il, über die wir zuletzt mal in der Hörerecke berichtet hatten, wird auch beim Dol janchi der Samshin Halmeoni geopfert, die in Korea unter den Hausgottheiten für Empfängnis, Geburt und Wachstum der Kinder zuständig ist. Zu den Opfergaben gehören Reis, Seetang-Suppe und Reiskuchen. Seetang-Suppe wird in Korea traditionell der jungen Mutter direkt nach der Geburt serviert; sie wirkt stärkend, ist mit ihrem hohen Mineralienanteil knochenbildend und befördert den Milchfluss.

Während früher das Dol janchi zu Hause abgehalten wurde, hat man es heute oft in Buffet-Restaurants oder Hotels verlegt, von denen viele auf solche lukrativen Veranstaltungen, an denen oft leicht 100 Gäste teilnehmen, mit speziellen Angeboten spezialisiert sind. Manchmal wird sogar ein professioneller Entertainer engagiert, der durch die Veranstaltung führt. In solchen Fällen gibt es dann immer Verlosungen oder ein Quiz, bei denen die Gäste kleine Preise gewinnen können. Generell kann man sagen, dass in den letzten 15 Jahren das Ausmaß der Dol janchi umgekehrt proportional zur Zahl der Kinder pro Familie zugenommen hat.