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Geschichte

Die Wiederbelebung der kommunalen Selbstverwaltung

2015-09-08

Die Wiederbelebung der kommunalen Selbstverwaltung
Das kommunale Selbstverwaltungssystem wurde im Jahr 1995 neu belebt. Fast ein halbes Jahrhundert lang war es außer Kraft gesetzt, bevor es in jenem Jahr nach landesweiten Kommunalwahlen wieder eingeführt wurde. Die Koreaner erwarteten nach der Wiedereinführung der lokalen Selbstverwaltung offene Behörden und kommunale Weiterentwicklung. Der Schwerpunkt der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einflussnahme begann sich von Seoul in Richtung auf die Kommunen zu verlagern. Ein System kommunaler Selbstverwaltung war erstmals bei der Gründung der Republik Korea im Jahr 1948 eingeführt worden. Professor Kim Soon-eun von der Graduiertenschule für öffentliche Verwaltung an der Seoul National-Universität erzählt uns mehr über die Geschichte der autonomen kommunalen Selbstverwaltung.


Das System der lokalen Selbstverwaltung geht bis auf die Unabhängigkeit Koreas zurück. Mit der Verfassung von 1948 wurden auch Regularien bezüglich der kommunalen Selbstverwaltung eingeführt. Das kommunale Selbstverwaltungsgesetz wurde 1949 verabschiedet, doch der Koreakrieg brach aus, noch bevor das System richtig umgesetzt werden konnte. Dann fanden während des Krieges, im Jahre 1952, die ersten Kommunalwahlen in den Bereichen südlich von Seoul statt, außer in Regionen, die sich noch unter nordkoreanischer Kontrolle befanden.


Im Jahr 1952, als der Krieg noch wütete, fanden bereits Wahlen für Kommunalräte statt, doch das System der kommunalen Selbstverwaltung war zu jener Zeit noch nicht richtig umgesetzt. Die Kommunalräte wurden durch direkte Wahlen gewählt, Bürgermeister und Gouverneure dagegen indirekt ermittelt, da sie von den Kommunalräten ernannt wurden. Dann kam mit der April-Revolution 1960 das Ende der Ersten Republik. Die neu regierende Demokratische Partei modifizierte das Selbstverwaltungsgesetz dahingehend, dass Kommunalratsmitglieder und die Leiter kommunaler Regierungen direkt gewählt wurden. Damit war ein echtes kommunales Selbstverwaltungssystem erreicht. Doch noch bevor das kommunale Selbstverwaltungssystem landesweit durchgesetzt werden konnte, war es nach dem Militärputsch am 16. Mai 1961 bereits wieder am Ende. Professor Kim Soon-eun von der Seoul National-Universität erklärt uns dazu:

Das System war von 1952 bis 1960 im Einsatz, aber es hatte viele Mängel und Fehler, weil Korea nicht viel Erfahrung mit der autonomen kommunalen Selbstverwaltung hatte. Das System wurde nach dem Staatsstreich am 16. Mai vermutlich deshalb abgeschafft, weil es als nicht hilfreich für Koreas weitere Entwicklung angesehen wurde.

So verschwand das kommunale Selbstverwaltungssystem Koreas also, und in den nächsten mehr als 30 Jahren lagen alle politischen und administrativen Entscheidungen für die Kommunen bei der Zentralregierung in Seoul. Eine Gelegenheit zur Wiederbelebung der kommunalen Selbstverwaltung kam im Jahr 1987. Als die Koreaner immer stärker nach echter Demokratie verlangten, war die Autonomie lokaler Behörden ein Streitpunkt, der nicht einfach beiseite gelegt werden konnte. Der damalige Vorsitzende der Demokratischen Gerechtigkeitspartei, Roh Tae-woo, schlug in einer Rede zur Beruhigung der aufgebrachten Menschen vor, die Gemeinderäte wieder einzusetzen. Professor Kim Soon-eun kommentiert Roh Tae-woos Ansprache.

Die Erklärung des späteren Präsidenten Roh Tae-woo vom 29. Juni 1987 ist eine sehr wichtige Stellungnahme, die zur Einrichtung eines direkten Präsidentschaftswahlsystems und zur Wiederbelebung der lokalen Verwaltungsautonomie aufgerufen hat. Die Erklärung vom 29. Juni war ein wichtiger Wendepunkt auf Koreas Weg zur Demokratie. Der Präsident sowie die Leiter von Provinzen und Städten sollten fortan direkt von den Menschen gewählt werden. Solange Provinzgouverneure und Bürgermeister vom Präsidenten ernannt wurden, mussten sie die Wünsche und Absichten ihres obersten Vorgesetzten respektieren. Sie waren mit ihrem ganzen Mitarbeiterstab von den Launen des Präsidenten abhängig und waren nicht in der Lage, ihre administrativen Aufgaben in einer fairen und unabhängigen Weise durchzuführen. Aus diesem Grund war es für eine friedliche Machtübergabe notwendig, dass lokalen Behörden das Recht auf Selbstverwaltung zugestanden wurde.

Die friedliche Machtübergabe ist in einer politischen Demokratie notwendig, und das kommunale Selbstverwaltungssystem wurde zur überlebenswichtigen politischen Frage. Bei der 13. Präsidentschaftswahl im gleichen Jahr wurde die Einrichtung von autonomen Kommunalverwaltungen zum wichtigsten Wahlkampfversprechen der Kandidaten. Meinungsunterschiede und politisches Gezänk störten allerdings die Einsetzung des Selbstverwaltungssystems. Dann einigten sich die Regierungs- und Oppositionsparteien im Dezember 1990 nach langem Gezerre endlich darauf, das System kommunaler Selbstverwaltung wieder einzurichten.

Im März 1991 war das Selbstverwaltungssystem mit einer anderen Schwierigkeit konfrontiert. Die regierende Partei verschob Gouverneurs- und Bürgermeisterwahlen unter dem Vorwand der wirtschaftlichen Stabilisierung. Warum war es so schwierig für Korea, den Kommunen autonome Entscheidungsstrukturen zu gewähren? Professor Kim Soon-eun beantwortet uns diese Frage.

Die politische Situation erlaubte es sowohl 1952 als auch in den 1990er Jahren, lokalen Verwaltungen Autonomie zu gewähren. Im Jahr 1952 wurde der Präsident von der Nationalversammlung gewählt. Als ihm klar wurde, dass er von den Abgeordneten nicht wiedergewählt werden konnte, beschloss der damalige Präsident Rheer Syng-man, sich über Gewährung von Autonomie an die Kommunen eine Machtbasis zu verschaffen, um selbst an der Macht zu bleiben. Das ist die vorherrschende Einschätzung der politischen Situation damals. Im Jahr 1991 hielten die Aktiven in der demokratischen Bewegung einen Regierungswechsel ohne unabhängige Kommunalverwaltungen für unmöglich. Deshalb trieben sie das Selbstverwaltungssystem voran, ohne die Unzulänglichkeiten des Systems zu beheben. Aus diesem Grund ist das kommunale Selbstverwaltungssystem bis heute immer noch mit Problemen behaftet.

All diese Probleme konnten die Sehnsucht der Menschen nach echter Demokratie jedoch nicht eindämmen. Am 27. Juni 1995 fanden endlich die ersten landesweiten Kommunalwahlen Koreas statt. Sie weckten hohe Erwartungen und riefen großes öffentliches Interesse hervor. Mit einer beeindruckend hohen Wahlbeteiligung von 68,4 Prozent stellten sie die Grundlage für den ersten Sieg der Oppositionspartei bei der Präsidentschaftswahl von 1997 dar, was schließlich zu einer neuen Regierung führte. Professor Kim Soon-eun erklärt dazu:

In den letzten 20 Jahren gab es zweimal eine Machtübergabe zwischen den Regierungs- und Oppositionslagern. Beide Male hingen mit der autonomen Kommunalverwaltung zusammen. So kam man zu dem Schluss, dass die kommunale Selbstverwaltung wesentlich zur Demokratisierung Koreas beitrug. Solange das System noch nicht eingerichtet war, wurden die Budgets für lokale Behörden von zentralen Regierungsbeamten kontrolliert, die für innere Angelegenheiten zuständig waren. Doch jetzt entscheiden Kommunalräte über Fragen der kommunalen Haushalte. Das bedeutet, dass ein Budget, das von einem Bürgermeister oder Gouverneur aufgestellt wurde, von einem Kommunalrat überprüft wird. Genau das bedeutet kommunale Verwaltung. In dieser Hinsicht brachte das kommunale Selbstverwaltungssystem Koreas die Politik des Landes deutlich voran.

Seit 1995 fest im Sattel hat das kommunale Selbstverwaltungssystem das wirtschaftliche und kulturelle Leben der Menschen stark beeinflusst. Von Bürgern gewählte Gouverneure und Bürgermeister legten ihre autoritäre Haltung ab und nutzten die Autonomie und die Ressourcen, über die sie verfügten, um ihre Kommunen zu fördern. Nach Angaben eines Bewertungsberichts über Kommunalverwaltungen vom Verwaltungsministerium, der im August dieses Jahres veröffentlicht wurde, wuchs die Zahl kultureller Einrichtungen wie Museen und Theater von 1995 bis 2014 um etwa das Fünffache, die Anzahl medizinischer Einrichtungen verdoppelte sich landesweit von 31.138 auf 60.751, und der Anteil gepflasteter Straßen stieg von 74,5 Prozent auf 82,5 Prozent. Hier ist erneut Professor Kim.

Die Menschen heutzutage gehen ziemlich oft in Bibliotheken. In der Vergangenheit waren Bibliotheken als Orte für das Studium angesehen, aber jetzt gehen Leute dorthin, nicht nur um Bücher zu lesen, sondern auch Musik zu hören, sich Auftritte anzusehen und Kurse zu besuchen. Mit dem wachsenden Interesse der Menschen am Gesundheitsbereich richteten die Kommunalbehörden viele Parks und öffentliche Gesundheitseinrichtungen ein und bieten Dienstleistungen an, die direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben.

Eine weitere Verbesserung der Kommunalverwaltung war, dass den Menschen der Zugang zu den lokalen Behörden erleichtert wurde. Professor Kim Soon-eun dazu:

Gewählte öffentliche Angestellte verhalten sich anders als diejenigen, die von oben eingesetzt wurden. Abkommandierte Beamte haben keine andere Wahl, als die Ansichten ihrer Vorgesetzten zu berücksichtigen, denn von deren Bewertung hängt es ab, ob sie auf ihren Posten bleiben können. Auf der anderen Seite ist die Wählerentscheidung alle 4 Jahre bei gewählten Vertretern viel wichtiger. Sie müssen viel stärker auf die Wähler hören. Lokale Verwaltungsbüros sind viel offener geworden, sodass Anwohner die Behörden viel eher besuchen und ihre Anliegen besser zum Ausdruck bringen können. Gewählte Vertreter müssen nett zu den Wählern sein, sodass auch der Status der Anwohner erheblich erhöht wurde.

Außerdem übernahmen Kommunalverwaltungen politische Anweisungen nicht mehr ungefragt von der Zentralregierung, entwickelten aber mit den Anwohnern eigene Wachstumspläne, um die lokale Wirtschaft zu beleben. So organisierte die Stadt Gwangju organisierte die erste Gwangju-Biennale im Jahr 1995. Dieses Festival war die erste kulturelle Veranstaltung, auf der eine Kombination von Kunst und Tourismus von einer lokalen Behörde organisiert und gesponsort wurde. Gwangjus Bürgermeister Yoon Jang-hyeon erzählt uns, wie die Stadt dazu kam, eine Biennale durchzuführen.

Es war ein Projekt, das zum kulturellen und historischen Hintergrund der Gegend passte. Die Zentralregierung hatte das Jahr 1995 als Teil ihrer Globalisierungs- und Kommunalisierungspolitik zum Jahr der Kunst erklärt. Zu jener Zeit war es wichtig, Koreas Kunst und Kultur zu fördern und die Wunden des demokratischen Aufstandes in Gwangju vom 18. Mai durch kulturelle Heilmittel zu heilen. So planten wir Projekte, die den Geist von Gwangju und die künstlerischen Traditionen der Stadt kombinieren sollten, um neue kulturelle Werte zu erschaffen. Zufällig eröffnete zu der Zeit ein koreanischer Abschnitt die Biennale von Venedig zur Feier ihres hundertjährigen Bestehens, und so hatten wir die Idee, selbst eine Biennale zu organisieren, die eine neue Zukunft für Gwangju, die Stadt der Kunst und des Lichts, eröffnen könnte.

Im Anschluss an die Einrichtung des kommunalen Selbstverwaltungssystems fand eine Reihe von Festivals statt, um Traditionen, Sehenswürdigkeiten und Spezialitäten der jeweiligen Region zu feiern und ihnen dabei zu helfen, eine eigenständige Kultur zu entwickeln. Das Internationale Filmfestival in Busan (BIFF) etwa begann im Jahr 1996 und feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag. Es erhielt die volle Unterstützung von der Stadt Busan und seiner Bewohner und gilt inzwischen als international renommierte Veranstaltung, die Busan das Flair einer Kulturstadt verleiht. Und der Landkreis Hampyeong ist der Organisator des inzwischen berühmten Hampyeong-Schmetterling-Festivals, das zur Erhaltung der regionalen Ökologie und seiner Schmetterlingspopulation durchgeführt wird. Regionale Festivals auf Basis von originellen Ideen und einzigartiger Traditionen wie die oben erwähnten drei bereichern die lokale Kultur.

Trotz seiner kurzen Geschichte hatte das kommunale Selbstverwaltungssystem Koreas die Demokratisierung vorangetrieben, und vollständig unabhängige Kommunalverwaltungen führen die Kommunen Koreas nun in Richtung auf eine bessere Zukunft.

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