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Geschichte

Das koreanische Wirtschaftswunder startet durch

2015-05-12

Das koreanische Wirtschaftswunder startet durch
Am 22. Dezember 1977 fand im Jangchung-Sportstadion in Seoul eine Zeremonie zur Feier des koreanischen Exportvolumens von 10 Milliarden Dollar statt. Diese Marke hatte Korea genau am Vortag, den 21. Dezember, dank einer Zunahme bei der Ausfuhr von Anlagen, Maschinen, Schiffen und petrochemischen Produkten erreicht. Zehn Milliarden Dollar – das war zu der damaligen Zeit eine unvorstellbar hohe Summe. Als 1962 die erste Phase des fünfjährigen Wirtschaftsentwicklungsplans in Kraft trat, belief sich der Gesamtexport Koreas auf gerade einmal 52 Millionen Dollar. Doch nur zwei Jahre danach, 1964, erreichte Koreas Export die 100-Millionen-Marke, und weitere sechs Jahre später, 1970, waren es bereits eine Milliarde Dollar. Das Exportziel von einer Milliarde Dollar war erstaunlicherweise vier Jahre früher erreicht worden als geplant. Das Erreichen der 10-Milliarden-Dollar-Marke im Export war ein eindeutiges und unübersehbares Zeichen des Wunders am Han-Fluss, und es zeigte der Welt, dass Korea mehr Aufmerksamkeit verdient hatte.

Der Export stellte von den 1960ern bis Anfang der 1970er Jahre der Motor für Koreas wirtschaftliche Entwicklung dar. Mangels fortgeschrittener Technologie, ausreichendem Kapital und weiterer Ressourcen war Korea auf die arbeitsintensive verarbeitende Industrie angewiesen und konnte damit ein Wirtschaftswachstum, das durchschnittlich um rund 10 Prozent pro Jahr anwuchs, erreichen und über längere Zeit halten. Doch in den frühen 1970er Jahren änderte sich die internationale Lage allmählich und warf dunkle Schatten auf die koreanische Wirtschaft. Professor Kim Seung-wook von der Wirtschaftsabteilung der Chungang-Universität erklärt uns mehr über die damalige Situation.

Im August 1971 verkündete der amerikanische Präsident Richard Nixon, dass der US-Dollar künftig nicht mehr durch Goldreserven gedeckt werde. Der Verlust der Konvertibilität des Dollars in Gold erschütterte den globalen Handel und war für kleine Länder wie Korea, die sich auf den Export von durch billige Arbeitskräfte hergestellten Produkten der Leichtindustrie spezialisiert hatten, ein empfindlicher Schlag. Außerdem hatte Präsident Nixon in der sogenannten Nixon-Doktrin bereits zuvor angekündigt, dass er amerikanische Truppen aus Korea zurückziehen werde. Als Folge davon sah sich Korea gezwungen, die Schwerindustrie auszubauen, um seine eigene Verteidigungsindustrie zu unterstützen. Die sich verändernde Weltlage sowie Koreas Erkenntnis, dass die leichte Industrie nicht mehr ausreichte, um die eigene Wirtschaft weiter anzukurbeln, veranlasste den damaligen Präsidenten Park Chung-hee dazu, im Jahr 1973 einen Plan zur Förderung der schweren und chemischen Industrie vorzulegen.

Es war ein ehrgeiziger Plan. Die Regierung versprach hohe Investitionen in sechs strategische Bereiche: Stahl, Nichteisenmetalle, Maschinen, Schiffbau, Elektronik und chemische Produkte. Das Ziel war, bis 1981 ein Exportvolumen von 10 Milliarden Dollar und ein Pro-Kopf-Einkommen von 1.000 Dollar zu erreichen. Doch sowohl die koreanischen Verbündeten, wie die USA, als auch einheimische Kritiker zweifelten an der Machbarkeit des Projekts. Hier ist erneut der Wirtschaftsprofessor Kim Seung-wook.

Noch 1973 waren Koreas Exporte von Produkten der Leichtindustrie nicht nennenswert. Das Land hatte keine natürlichen Ressourcen, kein Geld und nicht die Technologie, um Fabriken zu bauen und den Aufbau der schweren und chemischen Industrie einzuleiten. Es gab auch überhaupt keinen Markt für Produkte der koreanischen Schwerindustrie. Die Kritiker sagten, dass Korea noch nicht bereit war, eine eigene Schwerindustrie aufzubauen.

Die Hauptexportartikel in den frühen 1970er Jahren waren Textilien mit einem Rekordanteil von 41 Prozent der koreanischen Gesamtexportmenge. Perücken betrugen ein Zehntel des gesamten Exports. Doch trotz der schlechten Aussichten hielt die koreanische Regierung an ihrem Plan fest, die Industrielandschaft des Landes rund um die Schwerindustrie neu zu gestalten.

In Gumi im Süden Koreas wurde ein großer Industriepark gebaut, um das Wachstum der Elektronikindustrie zu fördern, und in Ulsan wurden die bestehenden petrochemischen Anlagen erweitert. In Changwon wurde ein Gelände für große Maschinen errichtet und in Yeoncheon ein zweiter petrochemischer Komplex aufgebaut. Nach der Eröffnung der Werft in Ulsan im Jahr 1973 wurde nur zwei Jahre später eine weitere gigantische Schiffbaustätte in Geoje in der Provinz Süd-Gyeongsang errichtet.

Trotz der ehrgeizigen und unermüdlichen Maßnahmen der Regierung, die schwere und chemische Industrie zu fördern, war der Weg hart und steinig. Erschwerend kam der rasante Anstieg des Rohölpreises nach dem Ausbruch des Jom-Kippur-Kriegs im Jahr 1973 hinzu. Professor Kim Seung-wook erzählt uns von der Ölkrise.

Die Ölförderländer steigerten den Ölpreis in den beiden Runden der Ölkrise um das Zehnfache. Ein Barrel Öl, das vorher nur drei Dollar kostete, stieg bis Ende der 1970er Jahre auf 30 Dollar an.

Weltweit wurden wirtschaftsprotektionistische Maßnahmen eingeführt, um die jeweils eigene Volkswirtschaft zu schützen, was mit weiter fortgeschrittenen Ländern zu häufigen Handelsstreitigkeiten führte. Als sich die wirtschaftlichen Auswirkungen der weltweiten Rezession immer mehr ausweiteten, lief das Wirtschaftswachstum Koreas Gefahr, zum Stillstand zu kommen.

Doch im Gegensatz zu weiter fortgeschrittenen Volkswirtschaften, die im Jahr 1973 während der Ölknappheit große Einbußen erlitten, konnte Korea ab 1974 dank des Baubooms im Nahen Osten und einer Politik zugunsten der schweren und chemischen Industrie eine jährliche Wachstumsrate von über 10 Prozent halten. Koreas Exporte nahmen kräftig zu. Wurden 1973 noch Waren in 33 verschiedene Länder verschickt, waren es 1977 bereits 131 Länder. 1976 verzeichnete Korea einen Export von 8 Milliarden Dollar, zwei Jahre früher als geplant. Damals hielt Premierminister Choi Kyu-ha auf einer Feier zum Tag des Exports am 30. November eine Rede, in der er von seinen eigenen Gefühlen überwältigt wurde. Nur ein Jahr später erreichte Korea endlich die beiden Marken von 10 Milliarden Dollar im Export und 1000 Dollar beim Pro-Kopf-Einkommen.

Angetrieben durch die schwere und chemische Industrie brachte Koreas Wirtschaftsexplosion gravierende Veränderungen im Leben der Menschen mit sich. Mit einer reichlich aufgefüllten Staatskasse brauchten sich die Koreaner nicht mehr über Hunger zu sorgen. Die Lage der Haushalte verbesserte sich spürbar und die Menschen konnten immer mehr für Konsumgüter ausgeben. Familien kauften sich Fernsehgeräte, und wenn im Fernsehen ein Drama auf dem Programm stand, kamen die Leute aus dem ganzen Dorf zusammen, um es sich gemeinsam anzusehen.

Die Leute machten sich keine Sorgen mehr darüber, genug zu essen zu haben, und allmählich lernten sie, wie die Marktwirtschaft funktioniert. Finanziell ging es ihnen immer besser und sie kauften sich nach und nach Haushaltsgeräte wie Fernseher, Radios und Kühlschränke. Es gab noch viele Familien, die keinen Fernseher zu Hause hatten, aber die Fernsehshows waren so interessant, dass die Leute ihre Nachbarn besuchten, um sie zusammen zu sehen.

Nach offiziellen Statistiken lag die Anzahl der Fernseher in koreanischen Haushalten im Jahr 1964 bei rund 30.000 Geräten. Doch bis 1975 erhöhte sich diese Zahl auf 1,8 Millionen und überstieg die 4-Millionen-Marke nur zwei Jahre später. In den frühen 1970er Jahren konnte sich nur eine Handvoll Menschen einen Kühlschrank leisten, doch bereits Mitte desselben Jahrzehnts wurde es zum absoluten Muss in den meisten Haushalten, was die Nachfrage nach anderen Haushaltsgeräten weiter antrieb.

Als wir noch keinen Kühlschrank hatten, mussten wir Kimchi in Tonkrügen aufbewahren. Aber nach der Einführung von Kühlschränken hatten wir Eis zuhause und konnten Kimchi dort aufbewahren. Woher hätten wir sonst im Sommer Eis für unsere Getränke nehmen sollen? Das Leben war seitdem viel bequemer!

Die steigende Nachfrage nach modernen Haushaltsgeräten war eine wahre Goldgrube für Hersteller und Händler von Konsumgütern. Das Shopping-Center Sewun wurde im Jahr 1968 eröffnet und war das erste allgemeine Elektronik-Einkaufszentrum Koreas. Jeong Gwang-il und Lee Woong-jae, die dort mehr als vier Jahrzehnte als Verkäufer gearbeitet haben, erinnern sich an die Mitte der 1970er Jahre.

Jeong: Schwarzweiß-Fernseher waren damals die Verkaufsschlager. Es gab drei verschiedenen Größen: 16, 18 und 20 Zoll. Aber am beliebtesten waren die 18-Zoll-Fernseher. Ich habe damals 30 oder 40 Geräte pro Tag verkauft und zwischen zwei und zweieinhalb Millionen Won täglich eingenommen. Die Geschäfte damals waren großartig!

Lee: Im Sommer und Winter hatte ich schlicht keine Zeit zum Mittagessen, weil ich so viele Kunden hatte. Je nachdem, welche Geräte verkauft wurden, wusste ich, welche Jahreszeit wir hatten. So beschäftigt war ich damals.


Als 1977 der Umfang des koreanischen Exports von 10 Milliarden Dollar bekannt wurde, richtete die Welt ihre Aufmerksamkeit auf dieses kleine Land in Fernost. Im Juni 1977 titelte das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek auf seinem Cover: „Die Koreaner sind im Kommen!" Darauf waren Koreaner abgebildet, die die koreanische Flagge in der Hand hielten und um die Welt marschierten. Die Newsweek-Titelgeschichte hob hervor, dass Korea bald seinen Status als Entwicklungsland hinter sich lassen werde. In ausländischen Medien wurde das phänomenale Wirtschaftswachstum Koreas als „Wunder am Han-Fluss“ bezeichnet und Korea wurde zusammen mit Singapur, Hongkong und Taiwan zu den vier asiatischen Tigerstaaten gezählt. Zweifellos stellte die Förderung der schweren und chemischen Industrie der koreanischen Regierung seit 1973 eine stabile Säule für die koreanische Wirtschaft dar. Professor Kim Seung-wook von der Chungang-Universität erklärt uns den Einfluss der Schwerindustrie.

Die heutigen Flaggschiffe der koreanischen Industrie sind mobile Kommunikation, Automobil- und Schiffbau, Petrochemie und die Unterhaltungselektronik. Korea ist vermutlich das einzige Land, das in solchen Schlüsselindustrien mit anderen führenden Nationen wie den USA, Japan und Europa auf Augenhöhe mithalten kann. Woher stammt diese Fähigkeit? Es kommt letztlich aus der Politik, die in den 1970er Jahren die Industrialisierung und besonders die Schwerindustrie sowie den Chemiesektor förderte. Wenn es in den 70er Jahren keine Industrie für Stahl, Nichteisenmetalle, petrochemische Produkte und andere Materialien gegeben hätte, gäbe es die heutigen koreanischen Giganten im Schiffbau oder in der Autoindustrie nicht. Deshalb denke ich, dass Korea genau zur richtigen Zeit damit angefangen hat. Es war perfektes Timing.

Das koreanische Wirtschaftswunder begann 1962 mit dem ersten Fünfjahres-Wirtschaftsentwicklungsplan und startete mit der Förderung der schweren und chemischen Industrie im Jahr 1973 richtig durch. Eine große Anzahl von Koreanern erkannte die Gelegenheit, stieg in das Export-Geschäft ein und nutzte die weltweite Ölkrise zu ihren Gunsten. Dadurch war Korea in der Lage, das demütige Attribut als eines der ärmsten Länder der Welt loszuwerden und als stolze Wirtschaftsnation stattdessen die ganze Welt mit Waren zu versorgen. Der heutige wirtschaftliche Wohlstand Koreas wäre ohne derart weitsichtige Entscheidungen nicht möglich gewesen.

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