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Geschichte

Die Jugendkultur durchbricht die Yushin-Ära

2015-04-21

Die Jugendkultur durchbricht die Yushin-Ära
Am 17. Oktober 1972 um 19.00 Uhr wurde in Korea landesweit das Kriegsrecht ausgerufen. Präsident Park Chung-hee machte an jenem Tag eine besondere Ankündigung: er behauptete, dass eine spezielle Reform, Yushin, nötig sei, um einen notwendigen Weg für die Zukunft des koreanischen Volkes einzuschlagen. Das war der Beginn der Yushin-Verfassung, in der das Regime die Menschen mit eiserner Faust beherrschte und jeden Aspekt ihres Lebens kontrollierte. Der einzige Hoffnungsschimmer, der die düstere Stimmung dieser Zeit durchbrechen konnte, war die Jugendkultur. Koreas Jugendkultur kam mit akustischen Gitarren, Jeans und langen, struppigen Haaren daher und sollte die gesamte Kulturlandschaft Koreas verändern.

Am 27. Dezember 1972 wurde Park Chung-hee zum achten Präsidenten Koreas vereidigt. Nach seiner Machtergreifung im Jahr 1961 gewann Park am 27. April 1971 zum dritten Mal die Präsidentschaftswahl. Knapp anderthalb Jahre später, am 17. Oktober 1972, erließ er plötzlich das Kriegsrecht über alle Regionen und kündigte durch seinen Sprecher Kim Sung-jin zehn Tage später eine Revision der Verfassung an.

Die anschließende Verfassungsänderung verlief ohne Zwischenfälle. Nicht einmal eine Debatte über die neue Yushin-Verfassung war in Korea erlaubt gewesen. Das Referendum am 21. November verzeichnete eine unglaubliche Wahlbeteiligung von 91,9 Prozent, wobei 91,5 Prozent der Menschen für die Änderung gestimmt haben sollen. Dann wurde Park Chung-hee, der einzige Präsidentschaftskandidat, am 23. Dezember zum achten Präsidenten der Republik Korea gewählt, und die Zeit des Yushin-Regimes brach an.

Die Yushin-Verfassung brachte viele Veränderungen mit sich. Die Präsidentenwahl wurde von der Direktwahl in ein indirektes Wahlverfahren geändert, der Nationalversammlung wurde das Recht entzogen, die Regierungsgeschäfte einzusehen und kommunale Parlamente wurden aufgelöst. Die Amtszeit des Präsidenten wurde von vier auf sechs Jahre erweitert und dem Präsidenten wurde nahezu absolute Macht verliehen wie etwa die Befugnis, ein Drittel der Abgeordneten und Richter zu ernennen sowie das Recht, die Nationalversammlung aufzulösen und außergewöhnliche Sofortmaßnahmen einzuleiten, wie zum Beispiel die Verkündigung von Gesetzen ohne parlamentarische Bestätigung. Mit Inkrafttreten der Yushin-Verfassung hatte der Präsident alle drei Zweige der politischen Gewalt (Exekutive, Legislative und Judikative) in der Hand, und der Weg für das dauerhafte Festhalten an der Macht war frei.

Das neue Yushin-Regime kontrollierte und unterdrückte das Leben der Menschen unter dem Vorwand, die soziale Stabilität zu stärken. Mit der Begründung, die soziale Disziplin wieder herzustellen, ging das Regime Park Chung-hees auch gegen kulturelle Aktivitäten hart vor. Doch erstaunlicherweise erwuchs gerade in diesem rauen Klima eine freigeistige Jugendkultur. Der Kulturkritiker Kim Heon-sik beschreibt die damalige Zeit folgendermaßen.

In Korea waren die 1970er Jahre eine Zeit des explosiven Wirtschaftswachstums. Aber es herrschte eine soziale Dunkelheit, weil das Militärregime alles wie in einer Diktatur überwachte. In den 1970er Jahren kochte die aufgestaute kulturelle Energie der 50er und 60er Jahre förmlich über. Die kulturelle Explosion begann in Form jugendlicher Untergrundkultur, fernab von den Antennen der Mainstream-Gesellschaft.

Im Mittelpunkt der koreanischen Jugendkultur standen Collegestudenten. Jeanshosen waren das Symbol der Jugend und lange, wallende Haare und eine Gitarre auf dem Rücken wurden zum Vorbild für die junge Generation. Hier ist erneut Herr Kim Heon-sik.

Blue Jeans standen für die Jugend und die amerikanische Popkultur. Aus Sicht der amerikanischen Geschichte symbolisieren Jeans Herausforderung, Pioniergeist, Innovation und Leistung. Blue Jeans wurden so zum Symbol für Jugend und Freiheit. Damals war akustische Musik sehr beliebt. Eine akustische Gitarre war ein relativ einfach zu spielendes und leicht tragbares Musikinstrument, bei dem man zugleich singen konnte, und sie war unter Liedermacher vielfach verbreitet. Lange Haare waren unter der Yushin-Regierung verboten, das Militärregime forderte kurze, gepflegte Haare und ein militärisches Aussehen. Junge Männer, die Persönlichkeit und individuellen Stil zeigen wollten, trugen lange Haare.

Die Regierung ging hart gegen junge Männer mit langen Haaren vor. Allein im Jahr 1973 wurden über 12.870 Menschen mit ungeschnittenen Haaren ergriffen und ihre Köpfe wurden kahl rasiert. Ungeachtet dieser absurden Bestrafung ließen jungen Rebellen ihre Haare lang wachsen. Warum wollten sie unbedingt lange Haare haben? Hier die Antwort Kim Heon-siks:

Männer ließen ihre Haare wachsen, um zu zeigen, dass sie selbstbestimmte und unabhängige Freigeister waren. Aber aus traditioneller Sicht und für den Mainstream waren lange Haare für Männer ein Tabu, und die Regierung versuchte, durch das Verbot von langen Haaren für Männer die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. Lange Haare waren nicht nur eine modischer Ausdruck, sie stellten ein symbolisches Tauziehen zwischen dem Status Quo und der jüngeren Generation auf ihrer Suche nach Freiheit dar.

Die jungen Männer waren nicht die einzigen, deren modischer Selbstausdruck brutal niedergeschlagen wurde. Die neueste Trend für junge Frauen waren damals Miniröcke. Die Regierung begründete ihr Vorgehen gegen lange Haare und Miniröcke damit, dass die angesagteste Mode der 1970er Jahre die soziale Ordnung und Moral durcheinander bringe und die Identität des koreanischen Volkes zerstöre.

Am 10. März 1973 wurden die Gesetze gegen Ordnungswidrigkeiten revidiert und mit Scheren bewaffnete Polizisten gingen dazu über, junge Männer mit langen Haaren aufzugreifen und ihnen einen Sofort-Kurzhaarschnitt zu verpassen. Lange Haare wurde als geschmacklose soziale Provokation angesehen. Junge Männer mit langen Haaren wurden manchmal auch ins Gefängnis gesteckt und mit einer Art negativer Irokesenfrisur abgestraft. Wo immer sich junge Leute versammelten, kam es zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Polizei und jungen Männern. Herr Han Won-geun und Herr Kwon Hyeok-hyeon, die damals in ihren 20ern waren, erinnern sich an diese Zeit.

Han: Ich war zu der Zeit 21 Jahre. Ich ging in Richtung der Polizeistation in Jongno, als ich merkte, dass da ein paar junge Menschen waren. Dann sah ich, wie Polizisten die Haare der Menschen dort abrasierten. Meine Haare waren ein wenig lang, also drehte ich mich um und lief in die andere Richtung davon.

Kwon: Es gab so viele Leute mit langen Haaren. In der Schule konnte ich Mädchen und Jungen kaum auseinanderhalten, wenn ich sie von hinten sah. Polizisten bliesen in ihre Trillerpfeifen und machten Jagd auf sie. Sie sprangen über Mauern und versteckten sich. Sie wollten ihre Haare ganz sicher nicht von der Polizei abgeschnitten bekommen.


Um die Länge kurzer Rücke zu überprüfen, setzte die Polizei auch Lineale ein,. Sie bestrafte junge Frauen, deren Röcke nicht weniger als 20 Zentimeter über dem Knie endeten, wegen Störung der öffentlichen Ordnung.

Frau 1: Da unsere Röcke nicht mehr als 20 Zentimeter über dem Knie sein sollten, zogen wir sie schnell nach unten, sobald wir einen Polizisten sahen. Aber Miniröcke waren modisch und schön. Sie machten uns Frauen weiblicher. Also trugen wir sie weiterhin.

Frau 2: Die Polizei ergriff Frauen mit kurzen Röcken an Orten wie Myeongdong, wo viele Menschen waren. Sie wurden wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt.

Frau 3: Die Polizei sagte zwar, Frauen sollten keine Miniröcke tragen, aber heimlich trugen wir sie fast überall.


Lange Haare und kurze Röcke - das stellte für die jungen Menschen jener Zeit nur Ausdruck ihrer kulturellen Identität dar, doch für die ältere Generation und das Regime waren sie Anlass für das Statuieren von Exempeln. Der Kulturkritiker Kim Hyun-sik erklärt dazu:

Die Koreaner hatte keine Gelegenheit dazu gehabt, einen natürlichen Übergang von der traditionellen Kultur zur modernen Kultur zu erfahren. Alles Neue und Moderne wurde daher als Bedrohung empfunden. Schrittweise Annäherungen wären besser gewesen, aber in den 1960er und 70er Jahren kam alles auf einmal, ohne der älteren Generation die Gelegenheit zu geben und Möglichkeiten zu bieten, dafür ein Verständnis zu entwickeln. Zudem rebellierten die jungen Leute und widersetzten sich, weil ihre kulturelle Ausdrucksweise viel zu sehr eingeschränkt wurde. Sie hielten ihre Proteste für progressiv und sehr sinnvoll.

Der hitzige Kulturkampf zwischen den Behörden und den Jugendlichen zeigte sich auch deutlich in der koreanischen Popmusik. Junge Sänger unter 30 mit akustischen Gitarren eroberten die Musikszene der 1970er Jahre im Sturm. Im Gegensatz zu älteren Sängern, die von einer Band begleitet wurden, machten die jungen Interpreten ihre eigene Musik und sangen über ihre Sehnsucht nach Liebe, Leidenschaft und Freiheit. Diese Songs brachten den jungen Koreanern Trost, die ihre Jugendjahre in jener düsteren Zeit verbringen mussten.

Doch die Lieder dieser jungen Sänger brachten die Regierung in Schwierigkeiten. Die Behörden glaubten, dass deren Musik soziale Unruhen provozierte und die Menschen dazu brachte, sich gegen das Regime zu wenden. Als Gegenmaßnahme gingen sie dazu über, die als unmoralisch angesehenen Lieder kurzerhand zu verbieten.

Der Sänger Lee Jang-hee zum Beispiel, mit seinen experimentellen Songs inzwischen als Wegbereiter für die Blütezeit der koreanischen Popmusik anerkannt, war zu jener Zeit Collegestudent und Songwriter. Sein Erkennungslied „That’s You“ durfte weder gesendet noch verkauft werden, weil das Lied angeblich eine verantwortungsle Denkweise propagierte.

Und der koreanisch-amerikanische Sänger Han Dae-soo war der erste, der Folkrock der koreanischen Öffentlichkeit vorstellte. Doch Musikfreunden war der Genuss seines „Give Me Some Water“ in der Öffentlichkeit verwehrt, da das Lied angeblich Visionen von Wasserfolter hervorrief. Damals wurde eine große Anzahl von Songs junger Sänger aus den verschiedensten Gründen verboten. Der Popmusik-Kritiker Lee Jun-hee spricht über die staatliche Zensur von Musik in den 70er Jahren.

Viele Songs waren in den 70er Jahren im Fernsehen und Radio verboten. Es gab viele Gründe für diese Verbote, aber der wichtigste war, dass die Songs der Regierung bei der Verfolgung ihres Ziels, Korea zu modernisieren, im Weg standen. Alles, was nicht zur Modernisierung des Landes beitrug, war verboten. Die Jugendkultur hätte durch derartigen Druck leicht zerstört werden können, aber die Musik wurde für die junge Generation zum Ventil des Selbstausdrucks. Genau das verdient hohe Anerkennung.

Doch auch innerhalb der eigenen Generation stellten einige Jugendliche die blinde Verehrung der westlichen Kultur mit ihren langen Haaren und ausgewaschenen Jeanshosen allmählich in Frage. So kam es dazu, dass auch die traditionelle Kultur ihre Wiederentdeckung der jüngeren Generation verdankt. Kim Heon-shik sagt dazu:

Die Kritik am blinden Nacheifern der westlichen Kultur brachte Collegestudenten in den 1970er Jahren zur Wiederentdeckung der koreanischen Kultur. Sie gründeten traditionelle Maskentanz-Vereinigungen auf dem Campus, sammelten alte Lieder aus dem ganzen Land oder spielten in koreanischen Folklore-Bands. Dies führte zu einer Blüte der traditionellen Kultur in den 1980er Jahren. Es gab zwei verschiedene Arten kultureller Ausdrucksweisen. Die eine bestand darin, die westliche Kultur zu übernehmen und zu verinnerlichen, und die andere war die Entdeckung und Überlieferung der eigenen koreanischen Kultur. Die Nebeneinander-Existenz dieser beiden Trends charakterisierte die 1970er Jahre.


Inmitten der drückenden Atmosphäre durch das Yushin-Regime in den 1970er Jahren erschufen die Jugendlichen Koreas ihre eigene Kultur, die bis heute den Wegbereiter für die kulturelle Identität der jungen Koreaner darstellt.

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