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Geschichte

Das goldene Zeitalter des koreanischen Films

2015-03-03

Das goldene Zeitalter des koreanischen Films
Seit März 1962 gibt es den Daejong-Filmpreis, Koreas wichtigste Auszeichnung für einheimische Filme. Der Filmpreis wird vom Ministerium für Kultur und Tourismus verliehen, um die koreanische Filmindustrie zu fördern und Filmemacher zu unterstützen. Zur ersten Preisverleihung kamen mehr als zweitausend Filmemacher, Schauspieler und Besucher. Bei den eingeschränkten Möglichkeiten kultureller Darbietungen waren Filme für normale Koreaner damals die nächstliegende Form der Unterhaltung. Filmfans und Filmexperten konnten sich nun erstmals gemeinsam über die Zukunft der koreanischen Filmindustrie austauschen.

Nach dem Koreakrieg lag die koreanische Filmindustrie durch die vielen Zerstörungen in Trümmern. Doch in den späten 1950er Jahren schlossen sich Filmkünstler zusammen, um Koreas Filmindustrie wieder aufzubauen, was schließlich zum goldenen Zeitalter des koreanischen Films in den 1960er Jahren führen sollte.

Der am weitesten verbreitete Kinotrend in den 1960er Jahren war die Umsetzung koreanischer Literatur in Drehbücher. Ein Beispiel dafür ist „Obaltan“ (오발탄) oder „Der Querschläger" aus dem Jahr 1961. Der Film beginnt mit einer Szene, wo der im Koreakrieg verletzte Young-ho und seine Freunde aus einer Bar geworfen werden, weil sie die Rechnung nicht bezahlt haben. Die Kriegsveteranen, die kurz davor noch amerikanische Popsongs gehört hatten, hören daraufhin Militärlieder, die sie während des Krieges gesungen haben. Der Film zeigt eine Gesellschaft, die sich immer noch nicht von den Verwüstungen des Krieges erholt hat.

Der Film „Obaltan" wurde vom Regie-Altmeister Yu Hyun-mok, der im Jahr 2009 starb, nach einer gleichnamigen Kurzgeschichte von Yi Beom-seon (이범선) gedreht. Er war der größte Kassenerfolg seiner Zeit und gilt nach wie vor als einer der besten koreanischen Filme der Geschichte. Das Leben, wie es im Film dargestellt wird, ist deprimierend. Die Hauptfigur Young-ho ist einziger Ernährer seiner Familie und für sie verantwortlich. Dazu gehören seine alte, senile Mutter, die immer auf der Suche nach einer Möglichkeit ist, draußen herumzuwandern, seine schwangere, aber unterernährte Frau, sein kriegsversehrter Bruder sowie seine verzweifelte jüngere Schwester, die ihren Lebensmut verloren hat, nachdem sie von einem Liebhaber sitzen gelassen wurde. Young-hos Leben ist hoffnungslos, es scheint keinen Ausweg zu geben. Wie konnte ein solch dunkler Film die Kritiker und das Publikum überzeugen? Der Popkultur-Kritiker Lee Jun-hee (이준희) erklärt uns, wie das möglich war.

„Obaltan" kam Anfang 1961 heraus, als die sozialen Unruhen immer noch nicht unter Kontrolle gebracht waren und als niederschmetternde Armut, Nachkriegsverwüstungen und körperliche und seelische Narben noch immer die Norm waren. Der Film war das Gesprächsthema seiner Zeit, weil er eine sehr realitätsgetreue Darstellung der koreanischen Gesellschaft damals präsentierte.

Durch die detaillierte Darstellung der koreanischen Nachkriegsgesellschaft und der verletzten Psyche der Menschen gilt „Obaltan" als das beste Meisterwerk der koreanischen Filmgeschichte. Doch „Obaltan" war erst der Anfang. Andere Literaturverfilmungen mit spannenden Geschichten und geschickten filmischen Inszenierungen folgten, wie „Ein Hausfreund und meine Mutter" oder „Der Kutscher". Koreanische Filme erreichten auch ein größeres Publikum, etwa als „Der Kutscher" des Regisseurs Kang Dae-jin bei der 11. Berlinale 1961 den Sonderpreis der Jury gewann.

Dann wurde Korea im Jahre 1962 Gastgeber des 9. Asia Film Festivals. Bei den ersten internationalen Filmfestspielen in Korea gewannen koreanische Filme Preise in fünf Kategorien, darunter „Bestes Bild“. Die gesamtasiatische Preisverleihung in Seoul war eine Gelegenheit, der Welt zu zeigen, wo die koreanische Filmkunst steht und welches große Potenzial die einheimische Filmindustrie hat.

Im folgenden Jahr, 1963, wurde ein weiterer koreanischer Filmpreis von der landesweit führenden Tageszeitung Chosun Ilbo vergeben. Die Blue-Dragon-Verleihung war die erste Preisverleihung in Korea, die den beliebtesten Titel auszeichnete, der durch Fan-Abstimmung ausgewählt worden war. Durch das große öffentliche Interesse und die Verleihung von Filmpreisen, die den Schaffensdrang der Filmemacher anfeuerten, blühte die koreanische Filmindustrie seit den 1960er Jahren regelrecht auf. Der Popkultur-Kritiker Lee Jun-hee erzählt uns mehr über die Zeit.

Die 1960er Jahre werden meist die glorreichen Tage des koreanischen Kinos genannt. Es war eine Zeit, als sowohl die Anzahl als auch die Qualität der koreanischen Filme anwuchsen. Die Filme setzten die Vielfalt der sozialen Landschaft der damaligen Zeit in Szene. In den Nachkriegsjahren der frühen 1960er wurde eine Reihe von Filmen über die Verwüstungen des Krieges wie auch solche mit antikommunistischen Botschaften produziert. Aber Mitte der 1960er Jahre verschob sich der filmische Trend und thematisierte die Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung und fortschreitenden Industrialisierung. Auch wurden viele Werbe- und Propagandafilme produziert.

Nach Angaben des koreanischen Film-Almanachs, der von der koreanischen Kommission zur Förderung des Films (KOFIC) herausgegeben wird, besuchte jeder Koreaner in den 1960er Jahren im Durchschnitt fünf Kinofilme. Diese statistische Zahl deutet an, dass das Kino damals das einzige kulturelle Angebot für die Masse der Bevölkerung darstellte. Auf der Welle dieses Erfolgs wurden im Jahr 1969 233 Filme produziert, ein enormer Anstieg von knapp 69 Filmen im Jahr 1961. Entsprechend wuchs auch die Zahl der aufstrebenden Schauspieler. Hier ist eine Nachrichtenreportage von 1964.

Mit dem wachsenden Interesse am Kino ist auch die Zahl derjenigen angestiegen, die Schauspieler werden wollen. Seit zehn Jahren gibt es in Korea private Schulen zur Ausbildung von Schauspielern, und eine dieser Schauspielschulen hat bereits solche Topstars wie Shin Seong-il (신성일) und Choi Ji-hee (최지희) hervorgebracht. Die Aufnahme in diese Schule ist in diesem Jahr hart umkämpft, die Zahl der Bewerber übersteigt die verfügbaren Plätze um das Achtfache.

Auch während der Blütezeit des koreanischen Films blieb der Koreakrieg ein wichtiges Thema. Der vor allem durch seine Titelmusik bekannt gewordene Streifen „Süd und Nord" von Kim Ki-duk von 1965 handelte im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen Kriegsfilmen, die Nordkorea vorwarfen, Feind des Volkes zu sein, vom Schmerz und Leid der Familien, die durch den Koreakrieg getrennt waren. Er eröffnete somit ein ganz neues Kapitel für das Genre.

Der nordkoreanische Major Jang Il-gu (장일구) läuft auf der Suche nach seiner verlorenen Freundin, Eun-ah, nach Südkorea über und trifft sie schließlich in einer tränenreichen Szene wieder. Aber sie ist bereits mit einem südkoreanische Hauptmann verheiratet. Die beiden Liebenden verabschieden sich voneinander und Jang wünscht seiner Geliebten ein glückliches Leben. Doch als der Hauptmann herausfindet, dass seine Frau die Geliebte eines nordkoreanischen Offiziers gewesen ist, meldet er sich freiwillig, um an vorderster Front zu kämpfen und wird im Kampf getötet. Der Tod von Eun-ahs Angetrauten stürzt Jang in Verzweiflung. Mit dem Ruf nach seiner Mutter auf den Lippen stürzt Major Jang sich daraufhin von einer Klippe, um sein trauriges und verkorkstes Leben zu beenden. Der Popkultur-Kritiker Lee Jun-hee erzählt uns mehr über die Bedeutung des Films.

„Süd und Nord" wurde Mitte der 1960er Jahre veröffentlicht und ist auch für seinen Titelsong, „Kennt irgend jemand diese Person?", berühmt. Der Film mag vielleicht ein Kriegsfilm sein, weil er zur Zeit des Koreakriegs spielt, aber er ist eigentlich eine Liebestragödie mit vielen dramatischen Wendungen. Er zeigt eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei Männern und einer Frau, und die Kinobesucher Mitte der 1960er Jahre waren in der Lage, den Krieg mit leicht unterschiedlicher emotionaler Beteiligung zu sehen als zehn Jahr zuvor. Sein kommerzieller Erfolg deutet darauf hin, dass sich der öffentliche Geschmack in Richtung Melodram orientierte.

Dank des gut geschriebenen Drehbuchs und ausgezeichneten Schauspiels eroberte „Süd und Nord" seinerzeit die Daejong- und die Blue-Dragon-Filmpreise. Der Streifen gewann auch den Preis für die beste Tragödie beim 12. Asia Film Festival und wurde zu den 26. Internationalen Filmfestspielen von Venedig sowie zum 9. Internationalen Filmfestival in San Francisco eingeladen.

Darüber hinaus errangen in den 1960er Jahren auch sogenannte „Heranwachsenden-Filme“ über die Ziellosigkeit, die Verzweiflung, den Ehrgeiz und die Liebe junger Leute, die in der Stadt leben, viel Aufmerksamkeit. Zum Kultfilm avancierte „Die barfüßige Jugend" von Regisseur Kim Ki-duk aus dem Jahr 1964. In dem Film verliebt sich Du-su (두수), Mitglied einer Jugendbande, in Johanna, die Tochter eines Diplomaten. Aber die beiden schaffen es nicht, ihre sozialen Unterschiede zu überwinden und entschließen sich dazu, ihr Leben zu beenden.

„Die barfüßige Jugend" rüttelte die Jugendlichen mit ihrer sensationellen Art, wie die spezifischen Ängste der Jugendlichen in Szene gesetzt wurden, auf. Er hatte weitaus mehr Tempo und Gefühl als herkömmliche Filme, und in nur achtzehn Tagen sahen 230.000 Zuschauer den Streifen, eine erstaunliche Leistung zu der Zeit. Die beiden Hauptdarsteller, Shin Seong-il (신성일) und Um Aing-ran (엄앵란), wurden später zu den Lieblingsstars der Koreaner und heirateten sich schließlich.

Familienfilme waren ein weiteres typisches Filmgenre der 1960er Jahre. „Paldogangsan" oder „Sechs Töchter" von Bae Seok-in aus dem Jahr 1967 war der größte Hit der damaligen Zeit. Darin spielten die damals bestverdienenden Schauspieler ein altes Paar, das sechs Töchter und einen Sohn hat. Der Film zeigt lustige und bewegende Ereignisse, während sie durch das Land reisen, um ihre Kinder zu besuchen. Die Kinogänger lernten dabei verschiedene Touristenattraktionen und Industriestandorte im ganzen Land kennen sowie die herzerwärmende Liebe der Eltern, die immer Trost für ihre überforderten Kinder in der sich schnell verändernden Industriewelt aufbrachten. Als „Sechs Töchter" in Seoul anlief, strömte die Rekordzahl von 330.000 Menschen zu einem einzigen Kino, um den Film zu sehen. Hier ist noch einmal Popkultur-Kritiker Lee Jun-hee.

Der große Erfolg von „Sechs Töchter" im Jahr 1967 führte zu einer Reihe von Folgefilmen und Nachahmungen. Es war praktisch ein staatlicher Propagandafilm. Einer der Gründe für seinen Erfolg war die Starbesetzung. Die Handlung war auch ziemlich ereignisreich und man konnte visuelle Eindrücke davon gewinnen, wie weit Korea in der Modernisierung und der wirtschaftlichen Entwicklung seit Anfang der 1960er Jahre gekommen war. Es gab zwar auch einige Übertreibungen, aber die Öffentlichkeit war in der Lage, sich voll und ganz auf die im Film gezeigten Situationen einzulassen.

Koreanische Filme zelebrierten ihre goldene Zeit in den 1960er Jahren durch Thematisierung der sich schnell verändernden koreanischen Gesellschaft. Heranwachsende schöpften durch die auf sie zugeschnittenen Filme Kraft, um ihre Träume nicht aufzugeben, und in den Kriegs- und Familienfilmen fand jeder Koreaner Trost und Hoffnung. Die heutige blühende Filmindustrie Koreas wäre ohne die Filme, die die Koreaner vor einem halben Jahrhundert zum Lachen und zum Weinen gebracht haben, nicht möglich gewesen.

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