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Geschichte

Bruder gegen Bruder: die Tragödie des Koreakriegs

2015-01-20

Bruder gegen Bruder: die Tragödie des Koreakriegs
Im koreanischen Kriegsmuseum im Zentrum Seouls tummeln sich die Kinder, die in den Winterferien viel Zeit haben. Hier können sie lernen, dass der Koreakrieg am 25. Juni 1950 ausbrach, als Nordkorea den 38. Breitengrad überquerte, um in den Süden einzufallen. Die Kinder können es heutzutage nicht mehr nachvollziehen, wieso Menschen ein und derselben Abstammung und Herkunft sich gegenseitig umbringen wollten.

Der dreijährige Koreakrieg wurde zwar vor mehr als 60 Jahren beendet, doch für die Koreaner ist der Krieg immer noch eine offene Wunde. Beim Rückblick auf die Leiden und Verwüstungen, die der Krieg über das Land und die Leute gebracht hat, gewinnen wir ein neues Verständnis für den Frieden, in dem wir heute leben.

Nordkoreas überraschender Angriff ereignete sich früh am Sonntagmorgen, den 25. Juni 1950. Das nordkoreanische Heer führte einen Totalangriff über die gesamte Länge der Grenze durch, von der Ongjin-Halbinsel im Westen bis nach Kaesong, Chuncheon und Gangneung im Osten. Doch als die Nachrichten über die nordkoreanische Invasion im Süden ankamen, waren die Leute nicht sonderlich beunruhigt, weil es auch zuvor schon häufig Scharmützel im Grenzbereich gegeben hatte. Hier sind die Berichte von zwei Männern, die den Krieg selbst erlebt haben. Lee Dae-yong war bei Kriegsbeginn Kompanieführer der 6. Division und Cha Seung-hyun war damals ein südkoreanischer Kriegsflüchtling.

Lee: Als ich am Morgen aufwachte, hörte ich die Geräusche von Gewehrschüssen. Ich dachte, unser 16. Bataillon war bei einer Übung. Dann wurde der Notstand ausgerufen, doch damals gab es oft Alarm, weil nordkoreanische Soldaten häufig nachts über die Grenze kamen und auf uns feuerten. Ich war völlig fassungslos, als mir endlich klar wurde, was da los war.
Cha: Ich hörte Kanonen und mein Onkel, der uns gerade besuchte, sagte, wir sollten ins Haus gehen. Ich fragte ihn warum und er antwortete, dass ein Katastrophenalarm ausgelöst worden war.


Leider handelte es sich diesmal nicht um einen falschen Alarm. Nordkorea hatte sich schon lange auf den Krieg vorbereitet und geheime Abmachungen mit China und der Sowjetunion getroffen. Hier ist der Geschichtsprofessor Lim Hyung-jin von der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Kyung-Hee-Universität in Seoul:

Nordkorea glaubte an die Befreiung der unterdrückten Menschen und betrachtete die Südkoreaner als noch nicht befreit. Kim Il-sung rechtfertigte den Einsatz von Gewalt also dadurch, dass er behauptete, die Invasion zur Befreiung der Südkoreaner durchzuführen. Tatsächlich hatte sich Nordkorea auf einen Krieg vorbereitet, seit das Regime sich gebildet hatte. Um Hilfe von den Nachbarländern zu erhalten, besuchte Kim Il-sung mit seinem Mitarbeiter Park Hon-yong am 30. März 1950 die Sowjetunion und traf sich mit dem Machthaber Josef Stalin. Sie bekamen von ihm das Versprechen, zu helfen, falls Nordkorea in den Süden einfallen sollte. Im Mai desselben Jahres traf Kim Mao Zedong in Peking, um von China ebenfalls eine Unterstützungszusage zu erhalten.

Auf diese Weise nahm die größte Tragödie in der modernen Geschichte Koreas ihren Anfang. Völlig unvorbereitet auf einen plötzlichen Angriff wurden die südkoreanischen Truppen von der nordkoreanischen Armee, die mit sowjetischen Panzern und Artillerieeinheiten ausgerüstet war, unbarmherzig zurückgedrängt. Nur drei Tage nach Kriegsausbruch besetzten nordkoreanische Einheiten Seoul.

Die Südkoreaner waren am Boden zerstört, ihr Leben war komplett ruiniert. Junge Männer wurden auf das Schlachtfeld gezwungen, andere mussten mit dem bisschen, was sie in der Eile tragen konnten, fliehen. Wörter können das Elend und die Verzweiflung der unzähligen Flüchtlinge nicht wirklich ausdrücken, die sich verzweifelt an ihre Angehörigen klammerten und zugleich versuchten, ihre kümmerlichen Habseligkeiten nicht zu verlieren. Herr Kim Sang-guk erinnert sich folgendermaßen an die schreckliche Flucht:

Ich trug eine Decke und kümmerte mich um meine kleinen Neffen. Es war früh am Morgen, doch es gab so viele Menschen und die Gewehre und Kanonen feuerten anscheinend direkt auf uns. Irgendwann schafften wir es auf einen Zug, der mit schweren Geräten wie Panzern beladen war. Ich kletterte oben auf einen Panzer, doch als der Zug in einem Tunnel entgleiste, fiel ich runter auf den Boden. Meine Familie half mir auf und kümmerte sich in einem kleinen Haus nicht weit von dem Tunnel um meine blutenden Wunden. Wir blieben dort die ganze Nacht, und als ich am nächsten Morgen zurück zur Unfallstelle kam, sah ich überall abgerissene Gliedmaßen und tote Leiber herumliegen.

Das Elend der südkoreanischen Flüchtlinge war unbeschreiblich. Sie mussten mit ansehen, wie Familienangehörige durch Artilleriebeschuss in Stücke gerissen wurden, unzählige Kinder verloren ihre Eltern und noch viel mehr Familien wurden in dem Chaos auseinander gerissen.

Der plötzliche Kriegsausbruch schreckte die internationale Gemeinschaft auf. Einen Tag darauf, am 26. Juni, traf sich der Sicherheitsrat der UNO und zwei Tage später wurde eine Resolution zur Versendung von UNO-Truppen beschlossen. Professor Lim Hyung-jin erklärt uns mehr darüber, was damals geschehen ist.

Die USA waren fassungslos, da sie nie damit gerechnet hatten, dass Nordkorea den Süden angreifen würde. Die USA beriefen also sofort für den 26. Juni eine UNO-Sitzung ein, einen Tag nach dem Angriff. Eine Resolution, die die nordkoreanische Invasion als Gewalt gegen die freie Welt bezeichnete, wurde verabschiedet, und das führte zur Entsendung von UNO-Truppen nach Südkorea. Am Ende schickten sechzehn Länder Infanterieeinheiten und medizinisches Personal in den Koreakrieg.

Kampftruppen aus sechzehn verschiedenen Ländern, darunter die USA, beteiligten sich ab dem 17. Juli am Koreakrieg. Trotz ihres Einsatzes wurde die Lage immer kritischer.

Bis August 1950, einen Monat nach der Verstärkung durch ausländisches Militär, wurden die südkoreanischen und die UNO-Truppen zum Rückzug bis zum nördlichen Teil Daegus gezwungen und mussten eine 240 Kilometer lange Verteidigungslinie am Nakdong-Fluss entlang, von Masan bis Yeongdeok, aufbauen. Dann begann am 15. September eine historische Operation, die das Kriegsglück wenden sollte: die Landungsoperation in Incheon. Hier ist der persönliche Erfahrungsbericht des US-amerikanischen Veteranen Warren Widhan, der damals Corporal bei der 1. Division des Marine Corps war.

Widhan: Schiffe konnten sich in dem seichten Wasser nicht lange aufhalten, doch General McArthur war unerschütterlich und die Landungsoperation wurde ein Riesenerfolg. Viele Leute sagten, dass wir Glück hatten. Die Hauptstreitmacht der Nordkoreaner war im Süden konzentriert und versuchte, nach Busan durchzubrechen. General McArthur fiel ihnen von hinten in den Rücken und trennte sie wie den Kopf einer Schlange von ihrer Versorgungslinie.

Die Landung in Incheon brachte Südkorea und den UNO-Streitkräften die Oberhand. Die Unterstützung verbündeter Truppen aus Incheon ermöglichte die Rückeroberung von Seoul und die nordkoreanischen Truppen an der Verteidigungslinie am Nakdong-Fluss wurden komplett von ihrer Hauptversorgung abgeschnitten. Drei Monate, nachdem das nordkoreanische Heer Seoul eroberte hatte, gewann Südkorea seine Hauptstadt am 28. September zurück. Vom Erfolg beflügelt stießen die alliierten Truppen weiter nach Norden vor, erreichten am 20. Oktober Pjöngjang und standen einen Monat später, im November, am Yalu-Fluss. Die Vereinigung der koreanischen Halbinsel schien greifbar nah.

Dann passierte etwas Unerwartetes: das chinesische Heer eilte zur Rettung Nordkoreas herbei. Chinesische Truppen schwärmten massenweise über den Yalu-Fluss, und mit dem Fall der Frontlinie stürzten auch die Hoffnungen auf eine koreanische Vereinigung in sich zusammen. Der US-Veteran Francis Myers erzählt uns mehr über diese Konfrontation.

Myers: Die chinesischen Truppen kamen in der Nacht, wie Menschenwellen mit Schusswaffen. Sie machten mit Schellen und Pfeifen einen Heidenlärm. Es kam zu brutalen Schießgefechten, bei denen amerikanische Bomber und Artillerieeinheiten das Feuer erwiderten. Gerade als wir dachten, wir hätten die Chinesen einigermaßen zurückgedrängt, kam die zweite Welle chinesischer Einheiten. Diese hatten nicht mal Waffen dabei! Sie nahmen sich das, was von den Kameraden der ersten Welle zurückgelassen worden war. Danach kam noch eine Welle und so ging das die ganze Nacht.

Die chinesische Militärintervention erzwang den Rückzug der verbündeten südkoreanischen und UNO-Truppen. Dieses Ereignis wird heute der Rückzug am 4. Januar genannt. Mitten im tiefsten Winter verließen Nordkoreaner, die gegen das sozialistische Regime waren, ihre Familien und die Heimat und flohen auf der Suche nach Freiheit nach Südkorea. Ein ehemaliger nordkoreanischer Aussiedler beschreibt diese Flucht folgendermaßen:

Ich ging bis nach Daegu und Busan. Als ich dort ankam, sah ich das ganze Kriegselend: Unterernährte, Kranke, Verletzte und Kinder, die ihre erfrorenen Füße in Watte gewickelt hatten.

Der Krieg zerbrach intakte Familien und zerstörte das Leben jedes Einzelnen. Die Zahl der Opfer wuchs immer schneller, je länger der Krieg dauerte. Aus Furcht, dass sich der regionale Konflikt in einen weiteren Weltkrieg ausweiten könnte, begannen die Länder, die gerade zwei Weltkriege durchstanden hatten, über einen Waffenstillstand nachzudenken.

Im Juni 1951, ein Jahr nach Ausbruch des Kriegs, schlug der sowjetische UNO-Botschafter Yakov Malik endlich einen Waffenstillstand vor. Die Waffenstillstandsverhandlungen dauerten beinahe zwei Jahre lang; währenddessen setzten sich entlang der militärischen Demarkationslinie erbitterte Gefechte fort, um noch die kleinsten Landstückchen zu erobern.

Am 27. Juli 1953 wurde in Panmunjeom endlich ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, drei Jahre und einen Monat nach Ausbruch des Koreakriegs und zwei Jahre nach Beginn der entsprechenden Verhandlungen. Der Konflikt endete also nicht in einer formalen Friedensvereinbarung, sondern mit einem Waffenstillstand.

Der Krieg, der Bruder gegen Bruder hetzte, endete für beide Seiten auf schreckliche Weise. Unzählige Menschen hatten ihr Leben verloren, das Land lag in Ruinen. Professor Kim Young-myung von der Abteilung für Politik und öffentliche Verwaltung an der Hallym-Universität erzählt uns mehr über die Situation nach dem Krieg.

Der Koreakrieg war ein besonders zerstörerischer Krieg. Seoul, Pjöngjang und andere große Städte der Halbinsel waren vollkommen zerstört, doch Nordkorea hatte offenbar mehr Zerstörungen erlitten als Südkorea. In Nordkorea sind mehr als 200.000 Soldaten bei Kämpfen ums Leben gekommen, während man in Südkorea 150.000 Kriegstote zählte. An zivilen Opfern gab es im Süden 370.000 und im Norden mehr als 400.000. Insgesamt sind mehr als 1,5 Millionen Menschen getötet und beinahe 3 Millionen verwundet worden, dazu kommen 1,2 Millionen Vermisste in beiden Teilen Koreas. Diese Angaben variieren natürlich je nach Quelle, aber ganz egal, von welcher Seite man den Krieg betrachtet, er war ganz besonders brutal. Auch gab es große materielle Schäden. Korea befand sich damals im vorindustriellen Stadium, und praktisch alle Fabriken und Ackerflächen waren zerstört. Angesichts von Koreas damaliger Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft war der Koreakrieg der zerstörerischste Krieg in der Weltgeschichte. Er stellt zweifellos die schlimmste Tragödie der Koreaner dar.

Im Koreakrieg gab es keinen Sieger. Die drei Kriegsjahre ließen Millionen Koreaner mittellos und physisch wie psychisch verwundet zurück und stürzten das ganze Land ins Chaos. Das Schießen mag aufgehört haben, doch der Krieg ist technisch immer noch nicht vorbei. Die beiden Koreas stehen sich an der Waffenstillstandsgrenze immer noch in Feindseligkeit gegenüber und die Familien, die durch den Krieg auseinandergerissen wurden, bleiben bis heute untröstlich.

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