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Kultur

Kim Un-su: „Jab!“ (2011)

2022-09-06

ⓒ Getty Images Bank

„Ob im Ring oder draußen in der Welt, es gibt keinen sicheren Ort. Tap, tap, du bist nur in dem Raum sicher, den du dir mit Jabs schaffst. Dort beginnt der Kampf. Dein Gegner ist aufgeregt, weil du in seinem Raum bist. Er ist aufgeputscht, aber du bleibst cool, weil du gerade Kirschtomaten aus dem Kühlschrank holst. Du musst ruhig genug bleiben, um die Kirschtomaten zu nehmen, selbst wenn das Gesicht des Gegners blutig wird. Kämpfen ist rücksichtslos. Also was denkst du? Glaubst du, du kannst ein Mann sein, der endlos Jabs wirft?“, fragte der Trainer.

„Was ist, wenn ich nicht endlose Jabs werfen kann?“, fragte ich.

„Es gibt eine großartige Technik namens Klammern. Du hältst den Gegner fest, egal was passiert. Wenn du ihn festhältst, kann er dich nicht schlagen, egal wie sehr er dich hasst. Du kannst ihn nicht schlagen, und er kann dich nicht schlagen. Niemand kann etwas tun.“


„Also, hast du den Typen KO geschlagen?“, fragte der Trainer.

„Kein KO, aber ich würde sagen, dass ich nach Punkten gewonnen habe“, meinte ich.

„Es gibt keinen Punktsieg in Kämpfen. Entweder, du haust jemanden KO oder du gehst selber KO.“

Ich sah zur Decke hoch, um herauszufinden, wer von meinen Schlägen bewusstlos geschlagen wurde.


Heute fahre ich einen Lastwagen, und liefere lebende Fische. Ich kann nicht sagen, dass das ein toller Job ist, weil die Bezahlung nicht gut ist und ich meistens nachts auf den Autobahnen fahren muss. Aber schlecht ist es auch nicht. Die Arbeit ist hart, aber anders als in den meisten Jobs habe ich keinen Chef, der mich nervt, und ich kann beim Fahren Musik hören.

Als ich dreißig wurde, war ich so mit trivialen Dingen beschäftigt, dass ich mir nicht die Mühe machen konnte, die Welt in die Luft zu sprengen, selbst wenn ich auf eine Lastwagenladung Dynamit gestoßen wäre.

Jabs zu werfen könnte also nicht weiter von mir entfernt sein. Ich hatte das Gefühl, jeden Tag von jemandem verprügelt zu werden, aber wenn ich zurückblicke, war es eine ruhige Welt, in der niemand irgendwelche Schläge austeilte, sodass ich mich fragen musste, wo ich eigentlich Jabs landen sollte. 




Kim Un-su (*1972): „Jab!“ (2011)

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